Vampir-Horror-Roman Nr. 311: Die Nacht der Verdammung
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Norrnan Bawden grinste matt, als er die Hand hob und gegen das altersschwache
Holz der schweren Eichentür klopfte. Er war sich seiner Sache völlig
sicher. Seine gefälschten Papiere waren hervorragend gemacht. Damit
konnte nichts schief gehen, nicht in diesem alten Schloß, dessen Bewohner
sicherlich ein wenig weltfremd waren und nicht ahnten, was ihn dazu bewog,
sich um die freie Stellung eines zweiten Gärtners zu bewerben. Niemand
antwortete. Bawden klopfte ein zweites Mal, jetzt laut und kräftig.
"Herein", ertönte es. Bawden betrat das Office des Schloßverwalters.
Da es sich im so genannten roten Turm befand, war es kreisrund. Durch ein
schmales Fenster, dem man anmerkte, daß es jahrhundertelang als
Schießscharte gedient hatte, sickerte spärlich Licht. in den Raum.
An einem kleinen, mit Papieren überladenen Tisch saß der
kahlköpfige Schloßverwalter. Patrick Craig machte in seinen speckigen,
abgewetzten Sachen den Eindruck, als sei er so alt wie sein Büro. Das
Gesicht des Schloßverwalters war braun, faltig und mumienhaft, aber
hinter den kreisrunden Brillengläsern blitzten Augen, die nicht nur
einen wachen Intellekt, sondern auch ein tiefverwurzeltes Misstrauen
widerspiegelten. "Ich bin Mike Swift", stellte Bawden sich unter dem von
ihm ausgewählten Falschnamen vor. "Wir haben miteinander telefoniert,
Sir. Hier sind meine Papiere."
von Cedric Balmore, erschienen 1979, Titelbild: N. Lutohin
Rezension von
Egon der
Pfirsich:
Kurzbeschreibung:
Auf der Flucht vor der Polizei nimmt der Verbrecher Norman Bawden
unter falschem Namen eine Stelle als Gärtner auf dem abgelegenen
Bellington-Castle an. Dort leben neben der Hausherren-Familie Lord und Lady
Alquist und deren schöner 19-jähriger Tochter Julia nur einige
merkwürdige, uralte Bedienstete unter Aufsicht des ebenso alten
Schlossverwalters Patrick Craig. Angeblich würden es junge Angestellte
auf dem einsamen Schloss nicht lange aushalten. Außerdem lernt Bawden
Julias Onkel James Alqiust kennen, aber der ist schon seit Jahren tot...
Dem Kriminellen gelingt es, die Sympathie Julia Alquists zu gewinnen, womit
er gegen eine Einstellungsvoraussetzung verstößt, derzufolge er
jeden Kontakt mit der jungen Frau vermeiden soll. Um seine Anstellung, die
ja seiner Tarnung dient, nicht zu gefährden, begibt er sich in die
Abhängigkeit des Schlossverwalters Craig und ermöglicht es so,
dass er dem untoten Onkel James Alquist in die Hände fällt: dieser
opfert Bawden den Dämonen und trinkt sein Blut, damit er selbst weiterleben
kann.
Wenig später taucht der Scotland Yard-Beamte Mark Drummond im Schloß
auf, der der Spur Bawdens gefolgt ist. Auch er verliebt sich in die schöne
Julia, und diese erwidert seine Gefühle, nachdem er ihr unter eigener
Lebensgefahr das Leben retten konnte. Sie will sogar das Schloß verlassen
und mit ihm in London ein neues Leben aufbauen. Daraufhin beschließen
Lord und Lady Alquist, die ebenfalls den Dämonen hörig sind, Ihre
Tochter in einer schwarzen Messe den schwarzen Mächten zu weihen, damit
Julia das dämonische Erbe der Alquists, von dem sie bisher nichts
wußte, antreten kann. So kämpft Mark Drummond gegen den untoten
James und gegen Julias Eltern nicht nur um sein Leben, sondern auch um seine
Liebe.
Meinung:
Was den Pabel-Verlag seinerzeit bewogen hat, diesen Roman von Cedric
Balmore alias Hans E. Ködelpeter in der Reihe "Vampir-Horror-Roman"
zu veröffentlichen, bleibt mir nach der Lektüre schleierhaft. Die
damals im gleichen Verlag erschienene Reihe "Gaslicht" wäre die geeignetere
Plattform gewesen. Was ich damit sagen will: Die Bezeichnung "Gruselroman"
ist hier vollkommen irreführend, denn der Roman bietet nichts, was auch
nur ansatzweise einen Anflug von Gruselstimmung aufkommen läßt.
Die Handlung plätschert spannungsarm dahin, selbst eine geheimnisvolle
Atmosphäre wird allenfalls angedeutet, und lediglich im Schlußteil,
als Mark Drummond seine Geliebte Julia vor dem Zugriff ihrer
dämonenhörigen Eltern retten will, kommt ein wenig Action auf.
Nun ja, das Ganze ist einigermaßen gut geschrieben und daher flott
zu lesen, aber Horrorfeeling ist Fehlanzeige und Spannung bleibt
Mangelware.
Dafür gibt es einige Klischees und Ungereimtheiten zu bestaunen. Das
größte Klischee ist die Aristokratentochter Julia Alquist, die
mit ihren süßen 19 Lenzen sowohl für den Verbrecher Bawden
als auch den Yard-Beamten Drummond die schönste Frau ist, die sie je
gesehen haben. "Normale" Attraktivität genügt nicht mehr, es muss
gleich ein Superlativ her. Und diese Traumfrau ist auch noch - aufgrund Ihres
bisherigen Lebens in weitgehender Weltabgeschiedenheit - so naiv, dass Sie
sich gleich in den Verbrecher verliebt, zumal der neben den steinalten
Bediensteten des Castles der einzige junge (und natürlich auch noch
gut gebaute) Mann ist. Diese Liebe wird vom Autoren natürlich niemals
klar dargestellt, allenfalls angedeutet, aber warum verhält sich die
junge Schöne gegenüber dem Polizisten Drummond zunächst abweisend
bis gehässig, nachdem der sie über den verehrten Mr. Bawden
aufgeklärt hat, nur um sich kurze Zeit später in ihn zu verlieben,
als er ihr, welch ein Wunder, das Leben rettet? Ich weiß nicht, ob
es tatsächlich so weltfremde naive Dummchen gibt, wie Cedric Balmore
den Lesern hier weismachen wollte, aber mir war das hier eindeutig
zuviel.
Auch sonst ist der Roman nicht gerade logisch aufgebaut: erst trägt
der Schloßverwalter Craig aktiv dazu bei, dass Bawden unbemerkt das
Opfer des untoten James Alquist wird, später flieht er (nebst den
übrigen uralten Bediensteten) panikartig, als er zufällig Zeuge
wird, wie der Schlossherr seiner schlafenden Tochter wie ein Vampir das Blut
abzapfen möchte.
Alles in allem ein schlecht konzipierter, langweiliger, absolut gruselfreier
Sandmännchenroman, den man allenfalls den Lesern von Frauengrusel-Romanen
wie "Gaslicht" empfehlen kann (obwohl ich auch in solchen Reihen schon Besseres
gelesen habe).
0 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Titelbild ist ein Werk Nicolai Lutohins, über den ich schon öfters
Sätze gelesen habe wie "entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht".
Er scheint also zu polarisieren. Nun würde ich mich selbst nicht eindeutig
zu einer extremen Position über sein Werk hinreissen lassen. Lutohin
hat meines Erachtens vor allem unter den ersten Titelbildern, die er - immerhin
in der Nachfolge des großartigen Karel Thole - für den Vampir-Roman
gemalt hat (Nummernbereich ab 185 bis etwa 220), auch eine Reihe guter Cover
zustande gebracht. Und als Zeichner für Fantasy-TiBis (Mythor) finde
ich ihn gar nicht mal so schlecht. Aber seine späteren Vampir-Roman-Cover
sind, wie auch die zu Professor Zamorra und anderen Serien, meistens nicht
nach meinem Geschmack. Das gilt auch für dieses Bild, obgleich es bei
weitem nicht Lutohins schlechtestes ist. Daher ringe ich mir hierfür
2 Kreuze ab.
Coverbewertung: