Silber-Krimi Nr. 929: Panoptikum des Grauens
Silber-Krimi Nr. 929: Panoptikum des Grauens


Er stieß irre Laute aus wie ein waldwundes Tier, während er sich schleifend und watschelnd über den sandigen Boden bewegte. Aber er hatte keine Ähnlichkeit mit einem Tier, eher schon mit einem Menschen, mit dem Zerrbild eines Menschen, das dem Stift eines morbiden Karikaturisten im Stil des Franzosen Topor entstammte. Das menschenähnliche Gebilde, das sich grunzend und stöhnend über den unebenen Boden der rauen Insel im Stillen Ozean walzte, bewegte sich nur auf zwei Stümpfen, die früher mal Beide gewesen waren. Arme hatte er auch nicht mehr, nur Stummel an den Schultern, die er rudernd bewegte, um das Gleichgewicht zu halten. Der Kopf war auf Kindergröße zusammengeschrumpft, das Gesicht verzerrt und von knotigen Geschwülsten verunstaltet, die ständig näßten. Dieses nur etwa achtzig Zentimeter große Wesen bot ein Bild des Grauens, erbarmungswürdig und abschreckend zugleich. Aber es gab niemand, den es hätte erschrecken können. Die Insel schien menschenleer. Nur der Wind sauste in den Palmen und Pinien, die auf dem sandigen Boden wuchsen, und weiter entfernt war das Rauschen der peitschenden Brandung zu hören. Winselnd wie ein kleiner Hund, der sich verlaufen hat, kullerte der Arm- und Beinlose in eine kleine Sandmulde und blieb erschöpft liegen. Schmerzen peinigten ihn, aber der Drang, von diesem Ort des Grauens zu fliehen, den er als gesunder, hoffnungsvoller Mensch betreten hatte, trieb ihn weiter, den nördlichen Klippen der Insel zu, wo er sich verkriechen wollte, bis ein Schiff sich hierher verirrte und man dem grauenhaften Spuk endlich ein Ende setzte. Speichel tropfte ihm aus dem schrundigen, lippenlosen Mund, als er sich aus der Kuhle wälzte und mühsam auf seinen Beinstümpfen weiterstakte. Eiter und Wundnässe hinterließen eine schleimige Spur. Zum Glück beschien der Mond seinen qualvollen Fluchtweg, und sein Instinkt trieb ihn weg von dem Ort, wo alles begonnen hatte und qualvoll enden sollte. Hatten sie seine Flucht schon entdeckt? Mühsam drehte er den Kopf.


von Bob Fisher, erschienen am 20.01.1972, Titelbild: R.S. Lonati

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das gleiche Cover wurde später für den Larry Brent Roman Nr. 177 verwendet.

Larry Brent Roman Nr. 177: Mit Mörderblick und Hexenbann