Silber-Krimi Nr. 910: Orungu - Fratze aus dem Dschungel
Er hielt den Atem an und drückte vorsichtig die Tür auf. Alles
war still. Nur das Stampfen und Dröhnen der Motoren im Maschinenraum
erfüllte den Schiffskörper. Dave Hoyle starrte in die dunkle, mit
muffiger Luft gefüllte Kabine. Er sah eine einfache Holzkoje, in der
sich schwach die Umrisse eines schlafenden Menschen abzeichneten. Der Fremde!
Auf geheimnisvolle Weise war er an Bord gekommen. Nichts weiter als eine
große Holzkiste hatte er bei sich gehabt. Eine Kiste, die an einen
grob zusammengezimmerten Sarg erinnerte. Was transportierte der rätselhafte
Passagier in dieser Kiste? Hoyle wollte es genau wissen. Seit Beginn der
Reise ließ es ihm keine Ruhe. Und heute nacht nun war endlich die Stunde
gekommen, wo die anderen erschöpft in ihren Kojen lagen, wo keiner auf
ihn achtete. Der englische Seemann drückte langsam die Tür hinter
sich zu
von Dan Shocker, erschienen am 12.10.1971, Titelbild: ???
Rezension von
Leichnam:
Kurzbeschreibung:
Ein mysteriöser Fremder - eine hagere, knochige Gestalt - ist auf einem
Frachter unterwegs. Es soll nach Frankreich gehen. Dieser Fremde schottet
sich völlig ab in seiner Kajüte, fanatisch eine sargähnliche
Holzkiste bewachend, die er als Gepäck dabei hat. Er schloß einen
Deal mit dem zwielichtigen, bestechlichen Kapitän, der die Reise für
den Hageren illegal durchführt. Als Lohn gab es fremdartig anmutenden
Schmuck aus purem Gold. In der Holzkiste liegt die Totenbeschwörerin
Orungu - Eingeborene aus Neuguinea, Trägerin des dritten Auges. Sie
kann hinüberschauen ins Totenreich. Und sie ist in der Lage, lebende
Menschen totzusprechen sowie Leichen wieder auf die Beine zu bekommen. Tumbe
Zombies sind das dann. Der Hagere, Maurice Duval heißt er, hat nach
30 Jahren noch immer eine Rechnung mit seinem Bruder offen. Von Neuguinea
zu einem kleinen Ort in Frankreich - ein wirklich wahnwitziger Rachefeldzug.
Brent weilt in Frankreich, um Fälle von Leichenraub aufzuklären,
die mit einem unheimlichen Fall zu tun haben, an dem die PSA gerade zu knappern
hat. Dabei schlittert er wieder einmal durch Zufall in den neuen Fall um
Orungu hinein. Der Hagere nimmt seine Rache am Bruder, obwohl längst
kein Haß mehr im Spiel ist. Orungu und er töten, um für sich
ein Leben in einem ganz besonderen Jenseits zu bereiten. In unbekannten
Bereichen, die vorerst nur Orungu kennt. Bald wird Brent direkt mit Orungu
und ihren Zombies konfrontiert. Der Agent räuchert das "Nest" aus -
ein altes schummriges Gehöft, welches einst der Hagere erben sollte.
Es war der Streitpunkt der Nebensache Rache, denn Duval bekam vor 30 Jahren
dieses Gehöft nicht zugesprochen, sondern sein jüngerer Bruder.
Feuer vernichtet Orungu nebst Duval und Zombie-Dienern. Feuer - verursacht
durch Larry Brents Laserpistole. Ein hinzugekommener Neuguinea-Forscher und
Abenteurer stellt schließlich im Bürokomplex der lokalen Polizei
von St. Remy, dem Ort des Geschehens, eine Filmrolle vor, die er einst unter
Lebensgefahr in der fernen Welt gedreht hatte. Orungu ist auf dem Streifen
zu sehen; sie erweckt den Hageren aus seinem Grab. Die beiden werden eine
Art Liebespaar. Die Frage aber, weshalb der Hagere intelligent blieb,
während die anderen Lebendiggesprochenen geistlose Zombies waren, versickert
als großes Geheimnis am Ende dieser finsteren Story. Zitat des Forschers:
"Maurice Duval und Orungu aber nahmen ihr Geheimnis mit ins Jenseits."
Meinung:
Eine äußerst düstere Geschichte mit Bezug auf Zombies sowie
fremdartige, für den Durchschnitts-Europäer kaum begreifliche
Toten-Riten. Bis zu Seite 24 liest es sich unglaublich beklemmend und dicht
- durchzogen von einem Hauche stetig vorhandener, unterschwelliger Gewalt.
Dieser Hagere, Maurice Duval, scheint zynische Bedrohung für alle "Normalos"
zu sein. Das er am Ende ziemlich unspektakulär durch Feuer umkommt,
ist zum einen relativ typisch für Dan Shocker - entspricht aber auch
irgendwie dem damaligen Zeitgeist betreffs schauriger Unterhaltung: Da wurden
viele Geschichten oder auch Filme mit der ausradierenden Wirkung der Flammen
zu Ende gebracht. Insgesamt betrachtet läßt sich Orungu
vorzüglich lesen, es gibt eigentlich keine großartigen Story-Drehungen
und Verwirrspiele. Für ein Brent-Heft also ziemlich straight durchgezogen,
wie ich es persönlich auch viel lieber mag. Paar Seiten des Mittelteiles
kommen etwas lahm und haben einen leichten Spannungsabbau zu verzeichnen,
doch das recht zeitig angesetzte Finale auf dem alten Gehöft reißt
dieses dezente Manko problemlos wieder raus. Ausgezeichnete, sehr
bedrückende Lektüre.
Besonderheiten:
Eine der wenigen Zombie-Geschichten von Dan. Und mal so richtig düster
- spielt fast nur nachts!
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Bild gefällt mir. Kommt schön krank daher. Im Roman wurde Orungu
allerdings eher als schön und graziös beschrieben, was hier sicher
nicht der Fall ist. Dafür ist es aber eben eine richtige Fratze! Und
die Farben: So richtig schön ekelig.
Coverbewertung:
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Larry Brent soll in Frankreich gemeinsam mit seinem Kollegen Iwan Kunaritschew
eine Bande von Leichenräubern dingfest machen. Als Larry in der Nähe
von Marseille einen der Verbrecher auf frischer Tat ertappt, findet er in
dem geöffneten Grab eine zweite Leiche, die erst vor kurzem dort verscharrt
wurde. Obwohl die Todesursache nicht festgestellt werden kann, muss davon
ausgegangen werden, dass der Mann noch gelebt hat, als das Grab wieder
zugeschaufelt wurde. Während dessen werden auf einem anderen Friedhof
zwei junge Menschen Opfer von lebenden Toten, die aus ihren Gräbern
auferstanden sind. Für Larry Brent ist klar, dass ein neuer Fall anliegt,
der oberste Priorität hat. Denn sein wahrer Feind ist mächtig und
skrupellos. Es ist Orungu - die Fratze aus dem Dschungel ...
Meinung:
Einer der wenigen Romane in denen lebende Tote ihr Unwesen treiben. Dan Shocker
begnügt sich nicht einfach den Voodoo-Zauber einmal mehr durch den Kakao
zu ziehen und auch kosmische Strahlung ist dieses Mal nicht der
Übeltäter, sondern die Geheimlehren der Naturvölker Neuguineas.
Schon der Beginn der Geschichte ist geheimnisvoll und unheimlich. Die
düstere Atmosphäre auf dem Schiff ist ebenso fühlbar, wie
die Szenerien auf dem nächtlichen Friedhof. Der Roman spielt
glücklicherweise auch nicht im heißen Dschungel, sondern in den
gemäßigten Breiten Frankreichs, welche für einen klassischen
Gruselroman besser geeignet sind. Ein kleiner Minuspunkt ist der ungeheure
Zufall der Larry Brent nicht nur auf den Fall aufmerksam macht, sondern ihn
letztendlich auch auf die Lösung stoßen lässt. Dass ausgerechnet
jenes Grab geplündert werden soll, welches sich der Leichendieb als
Stätte für seinen Nebenerwerb ausgesucht hat, ist schon mehr als
zufällig, dass Larry dann mitten in der Nacht aber auch noch auf ein
Opfer der Übeltäter trifft, welche ihn direkt zu dem Versteck der
Untoten führen kann, macht die Sache natürlich für Autor und
PSA-Agent sehr viel einfacher. Dennoch wird der Leser bestens unterhalten.
Der Roman liest sich schnell und flüssig. Lebensnahe Dialoge und "echte"
Charaktere vervollständigen das Gesamtbild. Positiv kommt hinzu, dass
Dan Shocker niemals den Begriff "Zombie" verwendet hat, der schon ziemlich
abgenutzt und eher lächerlich denn gruselig wirkt. Auch das Ende ist
eher trübsinnig und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Obwohl
dieser Roman von Europa vertont wurde, hat das Hörspiel allerdings nur
noch die Grundzüge dieser Story mit dem Roman gemein. Die ersten zwanzig
Seiten, welche sich mit der Ankunft Orungus in Frankreich beschäftigen
werden im Hörspiel nur im Nachhinein erzählt und anschließend
schlägt die Handlung der CD eine etwas andere, wenn auch dramatischere
Richtung ein. Was Gruselatmosphäre und Spannung angeht, ist das gedruckte
Wort aber unnereicht geblieben.
Besonderheiten:
Der Roman wurde als
Folge
16 in der Hörspielreihe "Larry Brent" vertont.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Obwohl diese Fotomontage schon ein wenig komisch aussieht wird doch durch
den nebligen Hintergrund und die scheinbare Formlosigkeit der Fratze ein
Gefühl des Grauens vermittelt.
Coverbewertung:
Rezension von
Benfi:
Kurzbeschreibung:
Larry und Iwan operieren in Frankreich, da im ganzen Land ein scheinbar
organisierter Leichenraub im Gange ist. Da die gestohlenen Toten sehr
wahrscheinlich alle nach Paris geschafft werden, wird dort Kunaritschew
eingesetzt, während Larry Brent in Marseille und Umgebung aktiv ist.
Da der Totengräber Cechoir als einer der Leichenräuber
verdächtigt wird, observiert Larry diesen und stößt
überraschenderweise auf Untote, die aus ihren Gräbern steigen!
Nur langsam dämmert es X-RAY-3, dass dies ein ganz anderer Fall ist.
Er ahnt ja auch nicht im geringsten, dass kurz zuvor der vor Jahrzehnten
nach Neuguinea ausgewanderte Maurice Duval in sein Heimatland zurückgekehrt
ist und die Kreatur Orungu, eine Totensprecherin mitgebracht hat, um für
einige klare Familienverhältnisse zu sorgen. Allerdings wird Orungu
zu früh aktiv und einige Leichen erheben sich auf dem Friedhof in St.
Remy aus den Gräbern und wüten grausig unter ihren Verbliebenen!
Kann Larry diese Massaker stoppen?
Meinung:
Dan Shocker lässt in seinen LARRY BRENT Romanen erstmalig die Toten
aus den Gräber steigen - und auch dafür kommt er mit einer
wissenschaftlich-okkulten Erklärung, nämlich der des Totensprechens!
Hochinteressant ist dabei, dass der erste GESPENSTER KRIMI, der eine Woche
zuvor erschien, dasselbe Thema in dem ersten Fall um JOHN SINCLAIR behandelt!
Aber das nur am Rande...dieser Roman erhält durch diese auf reine
Vernichtung erpichten Untoten eine gewisse Härte, die leicht
überrascht und den Gruselroman wirklich zu einem eben solchen macht.
Aber auch sonst ist die Storyline sehr spannend angelegt und lässt den
Leser das Heft nur schwer aus der Hand legen. Allerdings muss ich leider
sagen, dass Larry in dieser Geschichte ohne sein Glück und einer Ballung
an Zufällen ansonsten etwas dumm dastehen würde. Auch der
Handlungsstrang um die Leichendiebstähle wird anfangs zu großartig
aufgezogen und dann schnell abgewürgt. Ich könnte mir aber auch
vorstellen, dass der Autor dieses Thema nochmals aufgreift - das werden die
nächsten Romane um X-RAY-3 zeigen
Besonderheiten:
- der unbekannte Anführer der Teufelssekte aus Paris entkommt
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Collagen-Cover des SGK und der Neuauflage ist mit dieser grünen
Fratze, die einem Schrumpfkopf gleicht, irgendwie schon etwas lächerlich.
Daher leider nur ein Kreuz.
Coverbewertung:
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Foto vom Cover stammt ursprünglich vom Einband der spanischen
Publikation "4 CUENTOS FANTASTICOS":