Professor Zamorra Nr. 56: Die Teufelshöhle

Professor Zamorra Nr. 56: Die Teufelshöhle


Rawisa spürte, wie die Dornen sich durch das dünne, bunte Gewand bissen. Sie fühlte im Laufen die kleinen Rinnsale von Blut, die von ihren Knien und Waden an ihren Beinen hinabliefen. Sie spürte es und kümmerte sich nicht darum. Sie wußte nur zu gut, was sie erwartete, wenn sie in die Hände der Gelben Furien fiel. Man würde sie zum Tempeltanz zwingen. Und der Große Shuri machte sich eine verderbliche Freude daraus, sich die jungen Tamilenmädchen zu Willen zu machen. Nein, sie mußte diesen Bestien entkommen, die sich äußerlich als Gelbe Mönche gaben und in Wirklichkeit nur Handlanger eines schmutzigen Tempelgeschäftes waren, bei dem Rache und Grauen herrschten. Nur nicht in die Gewalt des Großen Shuris geraten! Nicht in die Gewalt dieses grauenvollen Geistes einer vergangenen Zeit, da die Könige der Tamilen und der Singhalesen um die Herrschaft der grünen Insel stritten. Rawisa lief und lief. Ihre Füße schmerzten. In ihrem Kopf pochte das Blut und drohte ihre Adern zu sprengen. Und fast körperlich spürte sie den Atem der hetzenden Furien hinter sich. Sie wußte, daß man ihr den Weg abschneiden würde. Sie mußte versuchen, von diesem Waldweg auf den Pfad zu gelangen, der zurück auf die Straße führte. Dort könnte sie um Hilfe rufen, würde Menschen finden, die sie beschützten. Aber hier, auf den schmalen Trampelpfaden zwischen Dickicht und Bäumen, zwischen den gefährlichen Lianenpflanzen und dornigen Büschen, hier in der Mitte des Regenwaldes, war sie auf sich allein gestellt. Sie versuchte, sich selber anzuspornen. Lauf, Rawisa, sagte sie zu sich. Du mußt den Furien entkommen! Nimm deinen ganzen Mut zusammen! Du willst nicht in ihre Gewalt kommen, wie die vielen anderen Mädchen vor dir!


Teil 2 von Dieter Saupe, erschienen am 10.08.1976, Titelbild: Vicente Ballestar