Der Magier Nr. 1: Magirons Todes-Show

Der Magier Nr. 1: Magirons Todes-Show


Der hochgewachsene, hagere Mann betrat die Bühne. Langsam hob er beide Hände, die Handflächen nach vorn gerichtet. Seine Augen schienen zu brennen. Er betrachtete jeden einzelnen Sitz im Zuschauerraum, als müsse er ihn sich genau einprägen. Zwei Bühnenarbeiter, die im Hintergrund die Dekoration herrichteten, tuschelten. "Ein komischer Vogel", flüsterte einer der beiden. "Als ob er Gespenster sähe, die er hypnotisieren muß." Magiron konnte es unmöglich gehört haben. Dennoch ging ein leichter Stoß durch seinen gespannten Körper. Aber er wandte sich nicht zu den beiden Männern um. Sein Blick suchte die Logen. Auch sie waren leer. Magiron prägte sie sich offenbar ein. Seinen langen Finger bewegten sich kaum merklich. Dann drehte er sich plötzlich um. Sein Gesicht wirkte im Dämmerlicht der stark reduzierenden Beleuchtung unnatürlich fahl. Ohne den beiden Arbeitern einen Blick zuzuwerfen, schritt Magiron davon. Die harten Sohlen des Magiers klackten laut über die Bühne, bis er durch den Seitenzugang verschwand. "Hoppla", rief der zweite Mann. "Was hat denn der für Schuhe an?"


von W.K. Giesa, erschienen 1982, Titelbild: ???

Rezension von Adalwolf:


Kurzbeschreibung:
Der Erbe einer Ölfirma, Roy de Voss, dessen Hobby Magie und Okkultismus sind, erfährt, dass der weltberühmte Zauberer Magiron an diesem Abend in Amsterdam auftreten wird. Seine Tricks sind so gut, dass niemand sie durchschaut. Auch die Reporterin Yani Atawa ist auf Magirons Spur, aber quasi dienstlich. Ein Mann, in dem sie einen Verfolger vermutet, ist lediglich der frisch in sie verliebte Kees Jorge. Roy de Voss interessiert sich auf Anhieb für die hübsche Reporterin; es gelingt ihm, einen Sitzplatz direkt neben ihr zu ergattern. Magiron bereitet sich auf seine Show vor, indem er Kontakt zu der MACHT aufnimmt, die ihn befähigt, aber einen hohen Preis verlangt. Im zweiten Teil seiner Show verspricht Magiron seinem Publikum, dass das, was sie erwartet, zwar erstaunlich sei, aber für keinen Anwesenden gefährlich. Plötzlich finden sich Roy und Yani als fast Verlobte in einem Amsterdam eines früheren Jahrhunderts wieder - in der passenden Kleidung und als Verlobte. Yani, die etwas von einer Hexe gehört hat, die "süchtig nach Köpfen" sein soll, presst sich ängstlich an Roy. Sie hören einen gellenden Schrei und vermuten die mörderische Hexe dahinter. Roy zieht seinen Degen und läuft in die Gasse, aus der die Geräusche kommen...
Gegenwart: Kees Jorge betrinkt sich wegen seiner Abfuhr sinnlos. Als der Wirt ihm nichts mehr einschenken will, taumelt er aus dem Lokal und biegt in eine Gasse ein. Plötzlich sind dort aber die Autos und die Straßenleuchten, ja sogar der Asphalt verschwunden. Stattdessen Gaslaternen. Kees befürchtet, im Delirium zu sein. Sein Fluchen weckt jedoch eine Frau, die ein Fenster öffnet. Sie weiß mit dem Begriff "Autos" nichts anzufangen, schimpft aber, Kees solle sich davonmachen, bevor ihn die Hexe hole. Er weicht aus und fällt in eine Gracht. Als er pitschnass wieder die Gasse erreicht, steht vor ihm eine Frau in einem tief ausgeschnittenen Kleid, die ihm verspricht, ihm etwas zu zeigen, was er noch nie zuvor gesehen habe. Und dem ist tatsächlich so: Er findet zwei auf Pfählen steckende Totenschädel, daneben zwei kopflose Leichen und einen dritten Pfahl, der für seinen Kopf gedacht ist. Als er in die pupillenlosen Augen der Frau sieht, weiß er: Das ist die Hexe - und sie mordet nicht mit Messern oder Säbeln, sondern mit Magie. Roy und Yani stoßen in der Gasse auf diesen Anblick, aber die Hexe hat schon einen dritten Kopf, der sich in einen Schädel verwandelt, auf eine Lanze gespießt. Voller Wut wirft Roy seinen Degen, der sich der Hexe in die Brust bohrt. Yani küsst ihn erleichtert - und reißt sich im Theater der Gegenwart vehement von Roy los. Sie kennt ihn ja erst kurze Zeit... Magiron schlüpft in einen brennenden Frack, wird zur Feuersäule und dann zu Asche. Er taucht jedoch mit angesengtem Hemd an einer anderen Ecke der Bühne auf und zieht sich in seine Garderobe zurück. Da gab es doch in der ersten Reihe zwei Menschen, deren Gedanken er nicht lesen konnte... Kees Jorge findet sich auch in der Gegenwart wieder und ist verblüfft, dass sein Kopf noch auf seinem Hals sitzt. Leider nur seiner, denn die beiden Pfähle mit den anderen Köpfen und die kopflosen Leichen sind noch da. Roy und Yani, die blaulichtenden und sirenendröhnenden Polizeiautos gefolgt sind, sind auch nicht wenig erstaunt, als sie auf reale "Requisiten" ihres "Hypnosetraums" stoßen. Wie sich die Konfrontation zwischen Magiron, Roy und Yani abspielt, verrate ich hier nicht, sonst braucht ihr den Roman ja nicht mehr zu lesen.


Meinung:
Aus Dan Shockers Gruselkabinett" ist die Reihe "Der Magier" betitelt. Und tatsächlich findet der Leser bekannte "Shocker-Zutaten" wieder: Den Konzernerben mit der exotischen Freundin und überlappende Realitäten. Leider war Shocker zu dieser Zeit aber schon zu krank, um die Romane noch selbst schreiben zu können. So mussten - ungenannte - Fremdautoren einspringen. Dies vorausgesetzt, folgendes Fazit: Sowohl die Szenen, die in der Vergangenheit spielen, als auch die Methoden, mit denen Magiron immer wieder seine Verfolger narrt und abschüttelt, sind gut geschrieben. Leider wird die Atmosphäre an keiner Ecke so dicht, wie man es von Shocker selbst kennt. Die Geschichte selbst ist etwas dünn, aber etliche ungewöhnliche Einfälle (die Opfer der Hexe, die Magiron ihr zuführt, kommen der "Macht" zugute) und das ungewöhnliche Ende retten einen im Großen und Ganzen guten Eindruck.


Besonderheiten:
Nach den Angaben Shockers sind die beschriebenen Fälle echt- sie stammten aus geheimen Archiven eines toten "Erik van X" und seien von ihm bearbeitet (andere Namen etc.)


3 von 5 möglichen Kreuzen:

3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Das Cover passt gut zum Roman; es zeigt die Hexe mit den Schädeln.


Coverbewertung:
3 Kreuze