Macabros Nr. 91: Die Pestreiter
In der Höhle war es unheimlich. Doch niemand beobachtete in diesen
entscheidenden Minuten den seltsamen Vorgang ... Mitten aus dem afrikanischen
Dschungel ragte ein üppig bewachsener Erdhügel hervor, zu dem ein
Zugang existierte, der auch dann noch übersehen wurde, wenn Forscher
oder Abenteurer dicht davor standen. Das undurchdringliche Dickicht war ein
echter Schutzwall. Nur Eingeweihte hätten ihn auf Anhieb gefunden. Unter
riesigen Luftwurzeln uralter Bäume verborgen lag eine Art grotesker,
unterirdischer Dom von beachtlicher Ausdehnung. Die Entfernung zwischen Boden
und Decke betrug mindestens fünfzehn bis zwanzig Meter. Doch daß
jemand diese Höhle ohne Gefahr für Leib und Leben betreten konnte,
daran war nicht zu denken. Der Boden war ein einziger, schwammiger Sumpf,
in dem alles versank. Die Höhle barg ein Geheimnis.
Rezension von
GoMar:
Kurzbeschreibung:
Eric Fraplin und Peggy Lascane sind im afrikanischen Dschungel unterwegs,
um den Spuren Fred Masons zu folgen. Eines Nachts wird Peggy geweckt - und
sieht sich einem gelbgrünen, eklig aussehenden Ei gegenüber. Dieses
Ei bricht auf, und ein Reiter auf einem schwarzen Pferd prescht aus ihm heraus
- und durch sie hindurch, ohne sie ernsthaft zu verletzen.
Tage später taucht Eric in New York auf und erhält dort den Hinweis,
dass er Fred Mason in einem kleinen Ort 40 Meilen außerhalb New Yorks
finden kann. Er macht sich auf den Weg und entdeckt ein desolates altes Haus,
in dem Fred Mason sich um seine Frau kümmert, die von der Pest befallen
ist, an der inzwischen auch Peggy Lascane erkrankt ist. Als Eric das Haus
verlassen will, um Peggy ebenfalls hierher zu holen, steht er den Pestreitern
gegenüber. Er flieht, doch die Pestreiter verfolgen ihn, reiten durch
ihn hindurch - und er wird zum Boten Myriadus', des Tausendfältigen.
Eric Fraplin soll diese unheilbare Krankheit nach New York bringen!
Pepe und Jim tollen auf Marlos herum, doch Pepe rennt plötzlich gegen
eine silberne Wand und wird bewusstlos. Bei einer Notoperation im St. Helens
Hospital in New York kann ein Blutsack aus seinem Gehirn entfernt werden
- doch 20 Minuten später stirbt Pepe! Er kann als Geist alles beobachten,
kann aber nicht mehr in seinen Körper zurück. Verzweifelt macht
er sich daran, auf seinen Zustand aufmerksam zu machen - doch niemand sieht
ihn ...
Björn Hellmark und Rani Mahay begeben sich wieder in die Höhle
des Unheils, um die letzten Totempfähle mit der "Ewigen Flamme der
Schlangengöttin Luku-U'moa" zu verbrennen, und werden sofort bei ihrer
Ankunft betäubt. Als Björn wieder erwacht, sieht er sich gefangen
- in Arsons Zeitschiff! Auch Arson ist gefangen und knapp vor dem Verhungern.
Gleich darauf sieht sich Björn Akmut, einem Mann aus dem Xantilon kurz
vor dem Untergang der Insel, gegenüber, der alle Trophäen von
Björn Hellmark einsammeln will, um sie Myriadus und Rha-Ta-N'my zu
Füßen zu legen. Das "Schwert des Toten Gottes" hat
er schon in seinem Besitz! Zudem will er sich Arsons Zeitschiff aneignen,
um von Xantilon fliehen zu können. Und dann zeigt Akmut Björn dessen
Freund Rani, der in einem riesigen Ei des Myriadus in einen Schleimkokon
eingesponnen wird. Da erkennt Björn, dass Rha-Ta-N'my mit Hilfe Myriadus'
kurz davor steht, ihn und seine Freunde endgültig zu besiegen ...
In New York spitzt sich die Lage ebenfalls dramatisch zu, denn über
dem St. Helens Hospital erscheint ein riesiges Ei des Myriadus - und die
Pestreiter preschen daraus hervor, um die Menschen mit dem Pestbazillus zu
infizieren und zu vernichten ...
Meinung:
Wiederum betritt Myriadus, der Tausendfältige, den Macabros-Kosmos.
Diesmal schickt er der Erde die Pestreiter, um die Bevölkerung mit einem
unheilbaren Pestbazillus zu vernichten. Diese Pestreiter sind interessante
Figuren, sitzen sie doch auf schwarzen Pferden, aber von ihnen selbst ist
nur der fahle runde Kopf sowie die weißen Hände zu sehen, der
Körper ist unsichtbar. Wie das physikalisch vor sich gehen soll, entzieht
sich meiner Kenntnis, aber in Horror-Romanen darf man einfach nicht absolute
Logik voraussetzen. Jedenfalls sind sie Geistwesen, die durch die Körper
der Menschen reiten und sie so infizieren. Diese Idee ist wieder einmal typisch
Dan Shocker, der ja kaum auf die klassischen Horrorelemente
zurückgriff.
Leider war's das auch schon irgendwie. Was mir bei den Romanen des
"13-Wege-Zyklus'" und insbesondere bei den Myriadus-Romanen auffällt,
ist, dass es an der Spannung hapert. Irgendwie kommt das Grauenhafte des
Myriadus, der immerhin einer der sieben Hauptdämonen ist, nicht so richtig
in Fahrt. Vielleicht liegt es am Winzigen, an der Sache mit dem Mikrokosmos,
aus dem Myriadus stammt, dass dadurch auch die Bedrohungsszenarien nicht
so gewaltig ausfallen. Nicht einmal zum Erscheinungszeitpunkt des Romans,
als man von AIDS z. B. noch nichts wusste, wirkte die Bedrohung durch einen
unheilbaren Pestbazillus grauenhaft genug. Aber heutzutage auch nicht! In
Zeiten von Penicillin und Antibiotika, einem recht gut funktionierenden
Gesundheitswesen - zumindest in Europa - hat eine solche Bedrohung einfach
zu wenig Gefahrenpotential. Vielleicht verlegte der Autor deshalb das Geschehen
auch nach Amerika, genauer gesagt, nach New York. Überdies habe ich
immer wieder das Gefühl, dass Dan Shocker den "Big Apple" mit der Stadt
Xantilon gleichstellte, so oft verlegt er die Handlung seiner Romane in diese
Stadt. Und so abwegig wäre dieser Gedankengang nicht einmal, abgesehen
vielleicht von der Verbrechensrate in New York ...
Etwas Spannung kommt durch das Geschehen um Pepe kurzfristig auf, der nach
einer Operation stirbt, aber seine Beobachtungen und Wahrnehmungen als Geist
sind schon so oft beschrieben worden in ähnlicher Form, dass sie nicht
wirklich mitreißen. Im Gegenteil! Sie wirken bereits ziemlich abgedroschen,
obwohl damals, Anfang der 80er-Jahre, der Boom mit der Sterbeforschung erst
so richtig losging. Zudem erscheint es mir als unglaubwürdig, dass er
zwar durch geschlossene Türen und auch durch Mauern dringt, gleichzeitig
aber mit den Händen Lampen ins Schwingen bringen kann und dergleichen.
Auch auf die Gefahr hin, dass mich einige Fans von Pepe "kreuzigen" werden,
aber hier hätte Dan Shocker durchaus die Chance gehabt, sich von ihm
zu "verabschieden", in einem sicherlich dramatisch zu schildernden Geschehen,
das diesem Roman gewiss gut getan hätte! Ich war nie ein wirklicher
Fan von Pepe, der mir zu sehr als Uri-Geller-Verschnitt aus den 70er-Jahren
erscheint. Durch die Adoption Pepes wirkte auch Björn Hellmarks
Playboy-Image ziemlich unglaubhaft, denn ein echter Playboy würde wohl
kaum derartige "Vatergefühle" aufbringen wie Björn gegenüber
Pepe. Dan Shocker konnte sich einfach von keiner seiner Hauptfiguren trennen
...
Und Björn selbst? Er tappt natürlich wieder in eine Falle, die
von Myriadus' Sklaven vorbereitet wurde, trifft so wieder auf Arson und dessen
Zeitschiff, und landet wiederum in Xantilon kurz vor dessen Untergang. Dort
befindet sich auch das "Schwert des Toten Gottes", in einem Block
steckend wie weiland das Schwert, das Artus in der Artus-Sage herauszog.
Auch Macabros gelingt es wieder als Einzigem, es herauszuziehen, und so
gehört es wieder seinem rechtmäßigen Besitzer, was auch langsam
Zeit wird, denn dass Björn Rani ständig alle Dämonenbanner
vorenthält, ist auch kein schöner Zug von ihm.
Die einzelnen Handlungsstränge, vor allem die der "Gastfiguren", wirken
diesmal nicht so schlüssig in die Handlung eingefügt, vor allem
werden sie zudem immer wieder einfach "abgehackt" - und aus. Der Showdown
ist wieder einmal nur auf 2-3 Seiten beschränkt, wobei diesmal sogar
nach dem Showdown noch einige Passagen folgen mit Erklärungen, wie z.
B. dass es eine UNO-D-Abteilung (D steht für Dämonenabwehr) gibt.
Und dass die Regierung nach so einem grauenhaften Geschehen, mit Dutzenden
Toten, mit Polizei- und Armeeeinsatz, eine totale Nachrichtensperre
verhängen kann, erinnert eigentlich an ein totalitäres Regime,
nicht an das Land der Freiheit und der Bürgerrechte. Rani Mahays problemlose
Genesung erscheint auch etwas eigenartig, war er doch bis auf seinen Kopf
schon eingesponnen in die Pestfäden Myriadus', und kurz darauf erfreut
er sich wieder seines Lebens auf Marlos, als wäre es nichts gewesen.
Die Schlusspointe mit dem stolzen Vater namens Whiss, der seinen gerade in
einer Palmenkrone geborenen Sohn den Marlosianern präsentiert, zaubert
zumindest ein Schmunzeln auf die Gesichter der Leser ...
Fazit: Kein uninteressanter Roman, vor allem in Hinblick auf die
Gegenüberstellung von Myriadus' todbringenden Eiern und Whiss'
lebenbejahendem Ei, aber nur mäßig spannend geschrieben. Myriadus
gelingt es einfach nicht, die große globale Bedrohung glaubhaft vorzugeben,
die titelgebenden Pestreiter sind zu wenig spektakulär, um dem langen
Plot mit Pepes Geistleben und Carminia Brados gluckenhafter Suche nach ihm
Paroli bieten zu können. Das ist schade, denn bei einer massiveren
Bedrohungsmöglichkeit durch die Pestreiter selbst, hätte der Roman
eine ganz andere Gewichtung erreichen können. Bloßes "Durchreiten"
von Menschenkörpern als Schemen ist eben doch nicht genug für die
Titelfiguren ...
Besonderheiten:
1. Myriadus erscheint wiederum in seiner Lieblingsform, dem Ei, und sendet
die Pestreiter aus.
2. Eric Fraplin und Peggy Lascane werden mit den Pestreitern konfrontiert
und mit der Pest infiziert.
3. Pepe wird nach einem Unfall am Hirn notoperiert - und stirbt wenig
später.
4. Björn und Rani landen als Gefangene wiederum in Xantilon, kurz vor
dessen Untergang.
5. Björn findet in Xantilon Arson wieder - und auch sein verloren geglaubtes
Schwert.
6. Whiss bringt auf Marlos seinen Sohn zur Welt, den er Blobb-Blobb nennt
(somit die erste dokumentierte Geburt auf der unsichtbaren Insel).
7. Als Innen-Illustration wird wieder Björn Hellmark alias Macabros
gezeigt.
8. Dieser Roman erschien auch als 1. Teil im Macabros-Doppelband Nr. 41 im
Blitz-Verlag, gedruckt erstmals in der neuen deutschen Rechtschreibung.
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Titelbild gibt die Szene wieder, in der Eric Fraplin von den Pestreitern
zu einem Pestboten gemacht wird. Sehr schön ist das Herausreiten aus
dem Ei zu sehen, wenn auch im Roman beschrieben wird, dass der Spalt sich
unten öffnet, doch so hat es einen optisch besseren Reiz, finde ich.
Bei der vorderen Figur des Pestreiters ist sehr gut zu sehen, dass die linke
Hand und der Kopf ohne Körper "in der Gegend herumschweben". Die Figur
des Eric Fraplin ist ekelhaft schleimbepackt dargestellt, dennoch erscheint
mir der Schleim zu kompakt, wie Knetmasse, gemalt. Und das Wasser, in dem
er geht, samt der Küstenlinie ist im Roman nicht erwähnt. Der Ausdruck
des Pferdekopfes des vorderen Reiters, vor allem die Augen des Tieres, ist
Lonati besonders gut gelungen; dieser Ausdruck wirkt auch am gruseligsten
auf dem gesamten Bild. Wegen diesem hervorragend gelungenen Pferdekopf gibt
es ein Kreuz mehr.
Coverbewertung: