Macabros Nr. 42: Hades, Hort der Vergessenen

Macabros Nr. 42: Hades, Hort der Vergessenen


Bill Coogan war erst fünfunddreißig. Zu jung, um zu sterben. Aber danach fragte ihn niemand, als es so weit war. Als er bleich und erschöpft zum Telefon griff, ahnte er, daß er einen großen Fehler machte, daß diese Reaktion über Tod und Leben entschied. Doch er brachte es auch nicht fertig, zu unterlassen, was mit diesem Risiko belastet war. Coogan preßte mit zitternder Hand den Hörer an das linke Ohr und hörte am andern Ende der Strippe das Rasseln des Telefons.


von Dan Shocker, erschienen am 26.10.1976, Titelbildzeichner: R.S. Lonati

Rezension von GoMar:


Kurzbeschreibung:
Francis Surman erhält von einem Freund, Bill Coogan, einen dubiosen Anruf, der abgebrochen wird. Als er in dessen Wohnung ankommt, findet er ihn tot vor. Und das unter merkwürdigsten Umständen. Auch Scotland Yard kann sich dies nicht wirklich erklären. Coogans Seele wurde in den Hades, den Hort der Vergessenen, verschleppt, was aber noch keiner weiß. Am nächsten Morgen erhält Francis Surman einen Brief, in dem Coogan ihm alles erklärt, und ihn davor warnt, sich damit zu befassen. Doch Surman begibt sich in einen Kellerraum und beschwört die Dämonen, und ein Dämon erscheint tatsächlich - und nimmt ihn als Gast mit in den Hades ...
Björn Hellmark und Danielle de Barteauliée befinden sich immer noch auf dem ihnen unbekannten Planeten. In seiner Not nimmt Björn einen Schluck Siaris - und steht Al Nafuur gegenüber. Sein Geistfreund erklärt ihm, daß ihm nichts anderes übrigbleiben wird, als zu - sterben, will er Helon 4, so heißt der Planet, verlassen. Unterdessen wird Danielle von Lugom, dem Bruder von Prinz Ghanor von Lovon, vor mörderischen Sandspinnen gerettet, die von Lugom und seinen Männern gefangen werden, um bei einem Komplott gegen Prinz Ghanor zu helfen. Lugom nimmt Danielle als Gefangene mit; der scheinbar tote Hellmark bleibt zurück. In Lovon wird Danielle von Lugom beinahe auf Befehl Rha-Ta-N'mys, deren Macht Lugom wieder festigen will, geopfert; im letzten Moment kann Danielle mit einem Zugeständnis an die Dämonengöttin dies noch abwenden. Dafür landet sie - in Paris, der Stadt der Liebe, und dort verliert sich ihre Spur im Salon der "Madame" Janette Rogale ...
Lugom nutzt ein Friedensfest Prinz Ghanors mit den Wüstenvölkern Lovons, um diesen entführen zu lassen. Mit Hilfe der gefangenen Sandspinnen gelingt den Verschwörern dies und sie verschleppen den Prinzen zur Pyramide des Todes. Prinzessin Osira, die alles beobachtete, folgt den Verschwörern, gewillt, ihren geliebten Mann zu retten ...
Als Björn wieder erwacht, findet er Danielle nicht mehr vor, schickt Macabros auf die Suche nach ihr und entdeckt so die Pyramide des Todes, in der er sterben muß, um seine Seele in den Hades, den Hort der Vergessenen, zu schicken. Denn dorthin wurde Zavho von Molochos verbannt, der die Botschaft für Björn aus Tschinandoah nach dort mitnahm. So entschließt sich Björn, diesen Schritt zu wagen und nimmt einen weiteren Schluck Siaris. Und tatsächlich: als er gestorben ist, kommt seine Seele im Hades an. Dort begegnet er auch Zavhos Seele, der darüber unendlich froh ist, denn wenn es Björn gelingt, die Botschaft aus dem Hades hinauszubringen, dann kann auch Zavho wieder hoffen, den Hort der Verdammten zu verlassen. Gerade als Björn Hellmarks Seele nach dieser Botschaft greifen will, tritt ein Ereignis ein, mit dem niemand von ihnen rechnete: Osira gelang es, Prinz Ghanors Seele zu beschwören, aber durch einen fatalen Zufall wird Björn Hellmarks Seele in Prinz Ghanors Körper gezogen - und er muß dessen Rolle übernehmen! Osira verläßt überglücklich mit ihrem vermeintlichen Gemahl die Pyramide des Todes - nicht ahnend, daß wenig später Ghanors Seele in Björn Hellmarks Körper erwacht. Der Prinz sieht seine Gemahlin mit einem anderen davonreiten - und will blutige Rache nehmen ...
Das Geschehen durch Osiras Eingreifen wirkt sich auch auf der Erde aus, und Francis Surman und der Scotland Yard-Inspektor Stuart Learing geraten in den grauenhaften Sog der Jenseitsmächte ...


Meinung:
Dan Shocker versteht es immer wieder, neue, bizarre Gefilde zum Leben zu erwecken. Auch hier gelingt es ihm, mit dem Hades, dem Hort der Vergessenen, eine ungewöhnliche Adaption des aus der griechischen Sagenwelt bekannten Hades vorzustellen. Hier wird nicht gefoltert und gequält, wie man es aus der Hölle kennt - oder zumindest glaubt zu kennen -, nein, hier wird jeder Verdammte in alle Ewigkeit daran erinnert, wovor er im Leben Angst hatte - eine auf die Ewigkeit gesehen furchtbare Strafe! Dazu passen auch die Parts der Protagonisten auf der Erde, die ebenfalls dort landen. Dieser Teil des Romans wirkt jedoch ein bißchen wie ein Lückenfüller, der aber zur gruseligen Gesamtstimmung des Romans hervorragend beiträgt.
Ein weiteres Highlight dieses Romans ist: Björn Hellmark begegnet zum ersten Mal Al Nafuur von Angesicht zu Angesicht, wenn dies auch durch einen "Traum" geschieht, hervorgerufen durch die Wirkung des Trankes der Siaris. Eine sehr interessante Darstellung Al Nafuurs und der Zwischenwelt, wenn auch etwas kurz geraten. Andererseits: In der Kürze liegt die Würze, heißt es oftmals. Und dann muß Björn auch noch sterben!
Etwas ärgerlich erscheint mir, wie sich Dan Shocker aus dem Dilemma mit Danielle de Barteauliées sexueller Strahlkraft und Björn Hellmarks unglaubwürdiger Standhaftigkeit dagegen "stiehlt": er läßt sie einfach auf die Erde des 20. Jahrhunderts verbannen und in einem Freudenhaus verschwinden! Problem gelöst - und Björn kann dadurch leichter keusch bleiben. Na ja, Danielle hatte schon einigen Schwung in das Geschehen gebracht, und ein anderer Autor (z. B. Ernst Vlcek oder Neal Davenport) hätte daraus sicherlich mehr gemacht, denkt man nur an Coco Zamis.
Aber Dan Shocker hatte andere Prioritäten. Und die spielt er hier wieder einmal voll aus. Das Geschehen um Prinz Ghanor, Prinzessin Osira, Lugom und seiner Verschwörung hätte durchaus Stoff für einen eigenständigen Roman geboten, aber so wiederum wirkt der Roman übervoll an Aktivität, und es kommt nie Langeweile auf, im Gegenteil! Man hetzt beinahe atemlos von Schauplatz zu Schauplatz, lebt, leidet und freut sich mit den Figuren mit, wenn die "freudigen" Elemente auch nur von geringer Dauer sind. Man registriert wieder einmal Dan Shockers absolut gewaltige Kunst, einen Ort wie den Hades neu zu definieren, so daß man beinahe Angst davor bekommt, man könnte selbst einmal dort landen! Die Einfälle dieses Mannes waren einfach grandios!
Eine starke Frau, Danielle, läßt er aus der Geschichte verschwinden, eine andere, Osira, baut er dagegen absolut liebevoll und edel in die Geschichte ein, mit einer Kraft der Liebe ausgestattet, die an deutsche Heldensagen erinnert. Und diese Osira legt voll los, dagegen erscheint ihr Gemahl, Prinz Ghanor, eigentlich als gutgläubiges Weichei, und auch Lugom und seine Verschwörer haben dieser rächenden Frau nichts entgegenzusetzen. Doch dann passiert ihr ein Mißgeschick: sie holt die "falsche Seele" in Prinz Ghanors Körper zurück.
Fazit: Ein überaus spannend geschriebener Roman, der wiederum der manchmal aufgestellten Behauptung, die 40er-Romane der Macabros-Reihe seien nicht so gut geschrieben, Lügen straft. Ich persönlich finde, daß dieser Zyklus mindestens so stark geschrieben ist wie der legendäre Xantilon-Zyklus. Vielleicht waren nur zu viele Handlungsstränge drin, und die Trennung Björns von Rani kam vielleicht auch noch nicht so gut an, kannte man doch noch nicht die Rani-Mahay-Trilogie (die monatliche Erscheinungsweise hat sicher auch dazu beigetragen, daß das "Vergessen" über die Anfänge des Zyklus' leichter gekommen ist, dauerte er schließlich doch von Band Nr. 39 bis Band Nr. 53, auch wenn 2 Mirakel-Abenteuer und der Jubiläums-Einzelroman [Nr. 50] dazwischen lagen). Aber das Geschehen mit dem Seelen- und Körpertausch Björn Hellmark / Prinz Ghanor ist ebenfalls sehr interessant und verspricht für den weiteren Verlauf der Serie noch einige Überraschungen zu bieten. Und die starke Osira hat vielleicht das Zeug, Danielle de Barteauliées Verlust auszugleichen. Man wird sehen ...


Besonderheiten:
1. Björn Hellmark trifft erstmals mit Al Nafuur von Angesicht zu Angesicht zusammen.
2. Björn Hellmark stirbt und landet im Hades, dem Hort der Vergessenen.
3. Björn Hellmarks Seele begegnet im Hades Zavho, dem Mann aus Tschinandoah, der eine Botschaft für ihn hat.
4. Rha-Ta-N'my verbannt Danielle de Barteauliée auf die Erde.
5. Prinzessin Osira holt Björns Seele aus dem Hades zurück, und diese landet im Körper Prinz Ghanors.


5 von 5 möglichen Kreuzen:
5 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Ein exzellent gemaltes Bild von Lonati, das auch genau so im Roman beschrieben wird. Der weiße Schemen stellt dabei Björn Hellmarks Seele dar. Hinter dem Tor sind einige Dämonenkreaturen zu erkennen, die die arme Seele wohl erschrecken sollen. Aber insgesamt wirkt es ein bißchen zu rot und dadurch zu eintönig, wenn auch auf den Torrahmen noch jede Menge Figuren gemalt sind. Während der linke Torwächter zumindest ein dämonisches Gesicht aufweist, hat der rechte nur einen Glatzkopf zum stupiden Gesichtsausdruck aufzuweisen.


Coverbewertung:
3 Kreuze