Larry Brent Nr. 63: Im Labyrinth des Ghuls
Larry Brent Nr. 63: Im Labyrinth des Ghuls


Dunkle Wolken hingen schwer am Himmel. Kein Stern, kein Mond leuchtete. Es war finstere Nacht. Der Mann, der sich wie ein Schatten hinter dem hohen, verwitterten Grabstein löste, hatte breite Schultern, kräftige, affenähnliche Arme und stämmige Beine. Ungepflegtes Haar hing ihm wirr ins Gesicht, das auffallend bleich war, als flösse kein Tropfen Blut durch die Adern des einsamen Friedhofbesuchers. Die klobigen, kräftigen Hände mit den langen Fingernägeln schabten trocken über das rauhe Gestein. Der Ghu1 kehrte in sein Reich zurück.


Rezension von Bloemsemann:


Kurzbeschreibung:
Der Schriftsteller Janosz Bracziskowsky ist davon überzeugt, daß es Wesen gibt, an die der moderne Mensch nicht mehr zu glauben vermag. Er ist einem leibhaftigen Ghul, einem Leichenfresser auf der Spur. Aufgrund seiner Nachforschungen und Veröffentlichungen über die verschiedensten Schattenwesen interessiert sich auch X-RAY-1 für den Schriftsteller. Larry Brent und Iwan Kunaritschew werden nach London gesandt, um Janosz aufzusuchen bzw. ihn für die PSA zu gewinnen. Leider ist dieser Hals über Kopf zu einer spontanen Reise aufgebrochen. Iwan trifft nur noch Sandy Whorne an, die hübsche Sekretärin des Autors Larry hingegen wird zu Inspektor Higgins abberufen, da dieser einige seltsame Vorgänge auf dem lokalen Friedhof genauer unter die Lupe nehmen will. Er ist bei einer Graböffnung nebst dem eigentlichen Bewohner des Sarges auf den frischen, teilweise angenagte Leichnam von Paul Morey gestossen. In dem Grab findet Larry eine Art Tunnel, welcher in ein Labyrinth unter dem Friedhof mündet. Die PSA-Agenten sind sich sicher, auf das Werk eines Ghuls gestossen zu sein. Bracziskowsky versucht derweil, auf der Osterinsel die Vergangenheit des Ghuls aufzuklären. Hierbei stösst er auf die Geschichte von Johann Karnhoff und seinem Sohn Franz. Beide sind auf dieser Insel in einer Höhle, die von dem seltsamen Einsiedler Taikona bewacht wird, mit der Magie der Göttin Rha-Ta-N’my konfrontiert worden. Ihre Neugier blieb aber nicht ohne Folgen: Johann wurde schwachsinnig und vegetiert auf der Insel dahin, während sein Sohn dem abstossenden Leben eines Ghuls fröhnen muss. Larry und Iwan versuchen eben diesen Franz Karnhoff ausfindig zu machen. Bei Sandy Whorne werden sie fündig, denn der Ghul versucht sie zu töten, da er glaubt, das junge Mädchen wüsste etwas über die Nachforschungen ihres Arbeitgebers. Leider entwischt der Leichenfresser den Agenten, schlägt sogar Larry nieder und verschleppt ihn in die Anstalt von Dr.Anthony Flowfield, welcher seit längerem die Verhaltensweisen des Ghuls studiert. Um seine Nachforschungen nicht zu gefährden, muss der Nervenarzt Larry in seiner Anstalt auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Währendessen kommt Bracziskowsky dem Geheimnis des Ghuls einen entscheidenden Schritt näher – doch er zahlt einen hohen Preis für sein Wissen ....


Meinung:
Der titelgebende Ghul ist bei Dan Shocker kein schleimiges, bösartiges Wesen aus dem Dämonenreich, sondern fast schon eine dramatische Figur, welche zu einem ausweglosen Schicksal verdammt ist. Ein interessanter Rahmen für eine sehr spezielle Geschichte um einen dieser Leichenfresser. Die Jagd nach dem Ghul hat ihren ganz eigenen Charakter. Hinzu kommt noch die etwas fantastisch anmutende Szenerie auf der Osterinsel. Die unheimliche Atmosphäre der Eröffnungsszene, als Paul Morey dem Ghul in einem schaurigen Keller begegnet, oder aber auch als Larry und Iwan ihre Nachforschungen auf dem Friedhof beginnen, geht auf der Insel etwas verloren. Hier wird viel mit magischem Hokuspokus um sich geworfen, verschiebbare Felswände und ein Höllenfeuer präsentieren sich dem Leser - auch wenn sich die Handlung um die Höhle Rha-Ta-N’mys nahtlos in das Gesamtbild einfügt, die Szenerie erinnerte etwas an die Indiana Jones-Filme und passt besser in die MACABROS-Serie. Insgesamt schafft Dan Shocker hier eine ausgefeilte, unterhaltsame Geschichte, die mit dem dramatischen Finale zu einem krönenden Abschluss kommt ...


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Der Ghul bei seiner Lieblingsbeschäftigung in dem unterirdischen Labyrinth. Der darüberliegende Friedhof ist mit einer atmosphärisch schönen Farbgebung versehen. Nur die beiden Figuren, speziell Franz Karnhoff sehen etwas belustigend und comichaft aus. Die Idee mit dem Querschnitt durch den Totenacker ist gewagt, aber auch mal etwas Neues. Nicht unbedingt ein Reisser, dennoch akzeptiert ...


Coverbewertung:
2 Kreuze
Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
In London scheint ein Ghul sein Unwesen zu treiben. Angefressene Leichen werden gefunden. Die PSA schickt ihren besten Mann Larry Brent nach England, damit dieser Chefinspektor Edward Higgins unterstützt. Zeitgleich soll Larrys Kollege Iwan Kunaritschew den Schriftsteller Janosz Bracziskowsky interviewen, der Bücher über düstere, bedrohliche Begebenheiten verfasst, die nicht gänzlich erfunden sein können. Doch Bracziskowsky ist verschwunden. Der Autor hat sich auf die Reise zu den Osterinseln begeben, wo er auf den wahnsinnig gewordenen Johann Karnhoff trifft, der angeblich tot sein soll, nachdem er gemeinsam mit seinem Sohn Franz eine Expedition auf die Insel startete. Er wollte einer finsteren Gottheit auf die Spur kommen. Karnhoff führt Bracziskowsky zu dem Einsiedler Taikona der die schwarze Flamme der Dämonengöttin Rha-Ta-N'My hütet. Wer diese Flamme passiert wird verliert entweder vollkommen den Verstand oder er treibt fortan als leichenfressender Ghul sein Unwesen ...


Meinung:
Mit diesem Roman zeigt Dan Shocker, dass er sich bei der Schöpfung seines Rha-Ta-N'My-Mythos stark an den Geschichten des unvergessenen H. P. Lovecraft orientiert hat. Dies wird nicht nur durch den zungenbrecherischen Namen der Dämonengöttin offenkundig, sondern auch durch Gestalten wie den Ghul, der anders wie im gängigen Heftroman-Klischee nicht als schleimige, wabbelnde Gruselgestalt daherkommt, sondern ein irregeführter Mensch ist, der jenseits moralischer und ethischer Normen steht. Anders hat Shockers Ghul auch lediglich das Verzehren toter Menschenkörper mit seinem moslemischen Namensvetter gemein, welcher zum einen als gestaltloser Schemen geschildert wird oder in materieller Form als weiblicher Dämon, die seine Gestalt verändern kann und Wanderer ins Unglück stürzt, sie tötet und verschlingt. Im vorliegenden Larry-Brent-Roman zeigt sich die finstere Dämonengöttin für das entstehen des Leichenfressers verantwortlich. Somit hat Rha-Ta-N'My hier ihren zweiten Auftritt, wenn auch nicht persönlich. Genau wie Lovecraft vermeidet Shocker die Beschreibung seiner unvorstellbaren Gottheit, was die Glaubwürdigkeit und das Mysterium unweigerlich zerstören würde. Im Gegensatz zu den düsteren und mit subtiler Spannung angereicherten Geschichten eines Lovecraft setzt Dan Shocker in seinen Geschichten trotz aller Mystik eher auf effekthaschende Spannungselemente, wie beispielsweise die Beschreibung der angefressenen Leichen. Hinzu kommt eine gehörige Portion Action. Wie so oft hat der Autor auch dieses Mal stark mit dem geringen Umfang des Heftromans zu kämpfen und zwängt seine Geschichte, die durchaus Stoff für zwei Hefte liefert auf 65 Seiten zusammen. So entbehrt der Roman zwar nicht jener unheimlichen Gruselatmosphäre, wie sie nur Dan Shocker zu schaffen vermochte, wirkt aber oftmals und wieder einmal vor allem am Ende stark überhastet. Leider kommt dieser Roman nicht umhin einige gängige Klischees zu bedienen und schildert eine psychiatrische Anstalt wie sie in den Köpfen vieler auch heute noch herumgeistert. Grobschlächtige Pfleger mit der Figur eines Preisboxers versehen dort ausnahmslos ihren Dienst. Auch die medizinischen Kenntnisse des Autors lassen zu wünschen übrig. So wollen die Pfleger dem PSA-Agenten ein Narkotikum subkutan verabreichen und als Larry den Spieß umdreht dauert es keine fünf Sekunden bis der Pfleger friedlich schlummert. Allerdings hat ein Narkotikum gar nicht die Chance bei einer subkutan, als unter die Haut, gesetzten Injektion innerhalb so kurzer Zeit in den Blutkreislauf zu gelangen.
Sehr merkwürdig stößt auch folgender Satz auf, der den Ghul beschreiben soll: "Franz Karnhoff trug einen dunklen Anzug. Sein grobes Gesicht und die ungepflegten, langen Haare passten nicht so recht zu seiner Kleidung. Auch die schmutzigen Fingernägel nicht so recht zu der vornehmen Kleidung." Nicht nur, dass er den Lesefluss unangenehm stört, wirkt er darüber hinaus abgehackt und unangemessen. Weshalb das Finale nun unbedingt in Rom spielen musste, wobei Dan Shocker umständlich neue Charaktere einführt, anstatt die bekannten in London zu nehmen, um mehr Freiraum für das Finale zu haben bleibt ein Mysterium, ebenso wie die Gestalt der Dämonengöttin.
Fazit: Unheimlicher Gruselschocker aus der Feder Dan Shockers mit einigen stilistischen Mängeln und kleinen dramaturgischen Schwächen.


Besonderheiten:
Erster Auftritt eines Ghuls innerhalb der Serie.
Zweite Erwähnung der Dämonengöttin Rha-Ta-N'My.


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Franz Karnhoff mit seiner nächsten Mahlzeit. Lonati hat den Ghul lebhaft dargestellt und die düster-morbide Atmosphäre hervorragend eingefangen.


Coverbewertung:
4 Kreuze
Das Titelbild zu diesem Larry Brent Roman wurde schon einmal für den Silber-Grusel-Krimi Nr. 219 "Berge des Wahnsinns" von Adrian Cole verwendet.

Silber-Grusel-Krimi Nr. 219: Berge des Wahnsinns