Larry Brent Neu - Nr. 4: Angst über Sylt
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Angst liegt über dem Ferienparadies Sylt. Innerhalb weniger Tage werden
bei zwei Amokläufen über ein halbes Dutzend Menschen getötet.
Niemand kann sich erklären, was die Täter - vollkommen normale,
geistig gesunde Männer - zu ihren Verbrechen verleitete. PSA-Chef David
Gallun schickt seinen besten Mann nach Deutschland: X-RAY-3 alias Larry Brent.
Kaum auf Sylt eingetroffen, wird Larry Brent in einen Strudel aus
Mißtrauen, Gewalt und Tod gerissen, dessen Zentrum sich offenbar in
dem beschaulichen Küstenstädtchen Hörnum an der Südspitze
der Insel befindet. Dort hat eine unbekannte Macht von vielen Bewohnern des
Ortes Besitz ergriffen und stachelt sie zu unvorstellbaren Taten an ... Doch
damit nicht genug: Es fegt auch noch ein verheerender Orkan über Sylt
hinweg, der sämtliche Verbindungen zur Außenwelt abschneidet und
die Nordseeinsel zu einer tödliche, unentrinnbaren Falle werden
läßt. Angst über Sylt - eine eindringliche Tour de Force
in die finsteren Abgründe der menschlichen Seele, der sich niemand entziehen
kann.
von Andreas Kasprzak, erschienen 2002, Titelbild: R. Schorm
Rezension von
Egon der
Pfirsich:
Kurzbeschreibung:
Auf den Inseln Sylt und Föhr fallen mehrere Menschen einem Amoklauf
zweier junger Männer zum Opfer, bevor sich die beiden gegenseitig
töten. Beide waren Mitglieder einer Satanistengruppe, die erfolgreich
einen Dämon beschworen hat. Zeitgleich wird in Australien der
PSA-Nachrichtendienstler Martin Callahan. Auf grausame Weise getötet.
Während Larry Brent nach Norddeutschland beordert wird, um die
Hintergünde des Amoklaufs zu erhellen, widmen sich in Australien die
PSA-Agenten Richard Marx alias X-RAY-8 (der eine Brille trägt, in die
Edelsteine mit der Fähigkeit, dämonische Auren zu erkennen, eingebaut
sind) und Svetlana Jaczek alias X-GIRL-N der Aufklärung des Todes von
Callahan. Der war einer bestimmten Sache auf der Spur: X-RAY-8 und X-GIRL-N
versuchen an seiner Stelle herauszufinden, welche Kraft für die
Wesensveränderung einer vierköpfigen Familie verantwortlich ist.
Diese Familie verschwindet urplötzlich, ebenso wie zuvor ein pensionierter
Polizist und seine Tochter. Eine Zeugin des Verschwindens der jungen
Polizistentochter (sie wird von einem amorphen Wesen aufgesogen) bleibt
unbehelligt. X-RAY-8 findet heraus, dass alle Opfer deutsche Vorfahren hatten,
die von der Insel Sylt kamen. Ein ebenfalls sylt-stämmiger Stadtstreicher
wird das siebte Opfer, damit ist die magische Zahl komplett. Die beiden
PSA-Agenten geraten in den Bann eines jungen Mannes namens "Ned", der die
Magie einer Aboriginal-Sekte für die Geschehnisse verantwortlich macht.
Er lockt die beiden Agenten in ein Haus und damit in eine Todesfalle: es
stellt sich heraus, dass "Ned" ein Dämon (das amorphe Wesen) ist, und
dass nicht die Aborigines, sondern er für das Verschwinden der Menschen
verantwortlich ist. Er benötigt 7 Opfer, um in Australien ein Tor zur
Dämonenwelt herzustellen und zugleich eine Brücke zu einem weiteren
Tor zu schlagen, das sich auf der Insel Sylt befindet. Mit Hilfe seiner
Fähigkeiten und der Magie eines Aboriginals gelingt es X-RAY-8, "Ned"
zu vernichten; dabei kommt aber u.a. auch X-GIRL-N ums Leben. Auch auf Sylt
geraten Menschen in den Bann des dort beschworenen Dämons. So wird Larry
Brent beim Besuch einer Kirche von einem Besessenen attackiert, und nur das
Auftauchen seiner Zimmerwirtin, einer alten Dame namens Miriam Hansen, kann
das Schlimmste verhüten. Frau Hansen ist eine Bekannte von X-RAY-1 und
hat übersinnliche Fähigkeiten. Unterstützt von Richard Marx,
der sich nach dem Abschluß der Ereignisse in Australien an seine Seite
gesellt, und Miriam Hansen versucht Larry Brent nun, auch auf Sylt das weitere
Eindringen der Dämonen zu verhindern. Dieses wird durch einen
merkwürdigen Sturm, der über die Inseln Sylt und Föhr hereinbricht
und sie von der Außenwelt abschneidet, angekündigt. In einem
dramatischen Showdown gelingt es schließlich, im letzten Moment die
Dämonen zu vertreiben. Dabei opfert jedoch Miriam Hansen ihr Leben.
Meinung:
An dieser Stelle ist zunächst eine kleine Betrachtung über
den Verfasser angeraten. Auf dem Buchrücken steht "Andreas Kasprzak",
ein Name, der nicht unbekannt ist: er war z.B. (als Carter Jackson) einer
der Hauptautoren der Serie "Die UFO-Akten" und hat als Gastautor ein- oder
zweimal bei "Vampira" und "Professor Zamorra" mitgemacht. Auch auf dem Buchdeckel
steht dieser Name, wurde jedoch mit einem gelben Aufkleber "Tatort Föhr"
überklebt. Im Innern des Buches ist als Verfasser "Maran O´Connor"
angegeben. Unter diesem Pseudonym wurden 3 weitere Larry Brent-Romane von
Antje Ippensen und Margret Schwekendiek im Blitz-Verlag veröffentlicht.
Daher gehe ich davon aus, dass diese beiden Damen (oder eine der beiden im
Alleingang) den vorliegenden Roman verfaßt haben. (Da ich das nicht
beweisen kann, werde ich in der Folge einfach wert- und geschlechtsneutral
vom "Autor" reden.)
Der Roman selbst weist eine Parallele zu zahlreichen Dan Shocker-Werken auf:
er bietet zwei separate Handlungsstränge an unterschiedlichen, in diesem
Fall mit den nordfriesischen Inseln einerseits und Australien andererseits
weit auseinanderliegenden Orten. Eine Ausgangssituation, die Dan Shocker
selbst oft, aber nicht immer, gut gelöst hat. Während das PSA-Urgestein
Larry Brent erneut in Norddeutschland ermittelt (er war dort erst im vorherigen
Band "Die Masken des Bösen" im Aktion), kommen in Australien zwei mir
bis dato unbekannte Agenten zum Einsatz.
Von diesen beiden verkörpert Richard Marx alias X-RAY-8 trotz seiner
übersinnlichen Begabung einen "normalen Menschen": er ist
Brillenträger, hat Flugangst, und zeigt am Ende des Romans, nach dem
Tod seiner Kollegin, Gefühle. Bei dieser Kollegin, der polnischen Agentin
Svetlana Jaczek alias X-GIRL-N dagegen hat der Autor für meinen Geschmack
zu tief in die Klischee-Kiste gegriffen. Statt eine realistische Protagonistin
zu zeichnen, wurde mal wieder eine Sexbombe konstruiert, die zu gut aussieht,
um wirklich glaubwürdig zu sein. (Trotzdem schade, dass sie im Verlauf
des Romans ums Leben kommt.) Was mich -neben dem äußerlich
überzeichneten "X-Mate-N" - zunächst störte, war die Tatsache,
dass, wie auch im Band 3, eine
Satanistensekte am Werk ist. Diesmal wird aber nicht der Dämonensohn
des Dr. Satanas beschworen, sondern ein anderer Dämon, der die Mitglieder
der Gruppe in seinen Bann bringt und zu schlimmen Verbrechen verleitet. Im
übrigen hat der Roman jedoch keine Ähnlichkeit mit dem vorherigen
Band, er bietet eine wesentlich spannendere Story mit überzeugenderen
Horror-Szenen. Diese sind teilweise hart (z.B. gleich zu Beginn der Amoklauf),
aber meines Erachtens nicht so sehr, wie es in dem Roman
"Blutengel von Tschernobyl" von
Martin Eisele der Fall war. Da zunächst ein großer Teil der Handlung
in Australien spielt, bleiben der Titel "Angst über Sylt" sowie der
Untertitel "Der Sylt-Thriller" ihre Berechtigung anfangs noch schuldig. Erst
im letzten Viertel des Romans, als die Ereignisse in Australien mit der
Vernichtung des Dämons "Ned" und dem Tod von X-GIRL-N abgeschlossen
ist, wird dauerhaft auf die nordfriesichen Inseln umgeblendet. Trotzdem ist
zumindest die Bezeichnung "Der Sylt-Thriller" doch etwas übertrieben.
Insgesamt ist das alles gut und flüssig geschrieben und kommt spannend
rüber, im Gegensatz zum vorherigen Roman
(Band 3) kam bei mir (von ein
paar Seiten mit etwas Leerlauf mal abgesehen) keine Langeweile auf. Allerdings
hat mich das Ganze auch nicht unbedingt vom Hocker gerissen, weil die
Hintergründe nicht wirklich originell und zu abstrakt waren. (Das Böse
versucht mal wieder auf der Erde Fuß zu fassen.) Ich habe in meiner
Rezension zu Band 3 ja ein paar
Sätze darüber geschrieben, warum mir gerade die Larry Brent-Romane
von Dan Shocker besonders gut gefallen; vom typischen "Dan-Shocker-Flair"
ist hier nicht viel zu spüren. Höhepunkt des Romans ist das letzte
Viertel: hier gelingt es dem Autor zunächst gut, mit dem langsamen
Hereinbrechen des Sturms eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Auch
das Ende, in dem die PSA-Agenten zusammen mit der alten Miriam Hansen im
letzten Moment das Unheil abwenden können, ist gelungen. Sehr gut hat
mir gefallen, wie der Autor in diesem Abschnitt auf die Psyche von X-RAY-8
eingeht, der natürlich noch nicht über den Tod seiner Partnerin
hinweggekommen ist... Einige Fragen bleiben jedoch bestehen, zum Beispiel,
in welchem Zusammenhang die alte Frau Hansen mit David Gallun alias X-RAY-1
stand. Und es wurde Potential verschenkt: dass die deutschstämmige Familie
in Australien, die in den Bann des Dämons "Ned" gerät und von diesem
getötet wird, ebenfalls Hansen hieß, daraus hätte man durchaus
etwas machen können. So bleibt es bei einer zufälligen Namensgleichheit
und einer nicht erfüllten Erwartung.
Abschließend noch etwas, das mich irritiert hat: in einer Szene wird
der polnischen Agentin X-GIRL-N eine deutschenfeindliche Aussage in den Mund
gelegt. Auf die Frage, ob sie "möglicherweise deutsche Vorfahren habe",
antwortet sie: "Beleidige nicht meine Familie, meine Vorfahren waren fast
alle polnisch, ein paar Russen waren drunter, aber niemand von uns hat je
in Deutschland gelebt." Und obwohl ich persönlich nun wirklich nicht
"stolz darauf bin, ein Deutscher zu sein", habe ich mich über diese
Stelle gewundert, zumal die Aussage für die Handlung völlig belanglos
war und ein einfaches "Nein" es auch getan hätte. Da frage ich mich,
was der Autor damit bezweckt haben mag. Um die Sache etwas zu präzisieren:
meine Mutter (die jetzt 73 Jahre alt ist) stammt aus Danzig, und sie wurde
als Kind nach dem 2. Weltkrieg mit ihren Eltern und Geschwistern von den
Polen vertrieben. Diese Traumatisierung haben aus ihr eine "Polenhasserin"
gemacht. Das hat sich im Alter zwar gelegt (irgendwie scheint die Zeit auch
große Wunden zu heilen), aber ich kann mich erinnern, wie sehr sie
z.B. als gläubige Katholikin(!) geschimpft und gezetert hat, als 1978
ein Pole zum Papst gewählt wurde. Und ich gestehe, dass ich
Verständnis für sie (und andere betroffene Deutsche ihrer Generation)
habe. Das Gleiche gilt natürlich erst recht für die betroffenen
Menschen in Polen, denen zuvor von den Deutschen unsägliches Leid
zugefügt worden war. Die PSA-Agentin Svetlana Jaczek ist jedoch zu jung,
um das 3. Reich, den 2. Weltkrieg und die anschließende Vertreibung
miterlebt zu haben, sie gehört, so wie ich selber und wohl fast jeder,
der diese Rezension liest, einer Generation an, die das Glück hatte,
diese Gräuel nicht miterleben zu müssen. Wie aber kann ein gut
sozialisierter junger Mensch in einem der beiden Länder eine solche
Meinung haben? Viele Deutsche haben polnische Vorfahren (ein bekanntes
Namensbeispiel ist "Schimanski"), und ebenso haben viele Polen deutsche
Vorfahren, was daran ist eine Beleidigung? Was ist mit unserem derzeitigen
Bundespräsidenten Horst Köhler? Für mich ist es unfaßbar,
dass ein deutscher Autor einer jungen Polin eine solche Aussage zuschreibt
(was umgekehrt natürlich genauso wäre). Anstatt
wünschenswerterweise die Völkerverständigung und -freundschaft
zwischen Polen und Deutschen zu propagieren, wird hier genau das Gegenteil
getan. Manche Leute (auch Romanschriftsteller) scheinen es chic zu finden,
"Deutschland" oder "die Deutschen" schlecht zu machen, egal in welcher Form.
Vielleicht, weil man sich bewußt von Rechtsextremen, Neonazis und
Deutschtümlern abgrenzen will. Das ist grundsätzlich zu
begrüßen, man sollte sich jedoch vorher Gedanken machen, in welcher
Weise man dies tut, denn sehr schnell kann ein solcher Schuß nach hinten
losgehen: Wäre dieser Roman nicht schon im Jahr 2002 erschienen, würde
ich dem Autor hier unterstellen, ein willfähriger Handlanger des polnischen
Polit-Hardliners Jaroslaw Kaczynski zu sein, der es ja geschafft hat, das
deutsch-polnische Verhältnis ordentlich zu belasten (und dafür
bei den jüngsten Wahlen die Quittung bekommen hat). So bleibt es -sofern
kein ideologisches Motiv dahintersteckt- bei dem Vorwurf einer Gedankenlosigkeit.
Natürlich kann man mir nun vorwerfen, dass ich diese Sache zu sehr
aufbausche, aber wenn ich bedenke, wie auffällig der Autor sonst in
diesem Roman um "political correctness" bemüht ist und sich z.B. immer
wieder auf die Seite der Aborigines stellt, so stört mich so etwas umso
mehr. Dem Verlag würde ich raten, im Falle einer eventuellen Neuauflage
des Romans (Anpassung an das aktuelle Design der Larry Brent-Serie) die
betreffende Stelle zu überarbeiten. Ich drehe dem Autor daraus jedoch
keinen Strick: von diesem "Faux-pas" abgesehen, war der Roman insgesamt trotz
einiger Abstriche gelungen, wenn auch nicht herausragend. Er paßte
jedoch mit seinem "abstrakten" Dämonenthema nicht wirklich in die Larry
Brent-Serie hinein. Da ich dennoch gut und spannend unterhalten wurde, gebe
ich 3 Kreuze.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Titelbild zeigt ein Wetterleuchten über einer Szenerie mit
stürmisch bewegter See, die ein Haus zu überfluten droht. Insgesamt
paßt das Bild gut zum Roman, bietet jedoch keine besondere
Gruselatmosphäre. Künstlerisch kann es durchaus überzeugen.
Daher tendiere ich auch hier für die Mitte und gebe ebenfalls 3 Kreuze.
Coverbewertung: