John Sinclair Nr. 1657: Der weibliche Golem

John Sinclair Nr. 1657: Der weibliche Golem


Die Frau ahnte nicht, dass sie bald sterben sollte, als Pavel Hawelka ihr die Tür zu seinem alten Haus öffnete. Sie war froh, der Kälte entkommen zu sein, die sich schon seit mehreren Wochen wie eine Glocke über Europa gelegt hatte. Etwas Wärme um sich zu haben, das war im Moment das Höchste. Besonders in den sternenklaren Nächten. Da biss sich der Frost so richtig in der Natur fest. Pavel hielt ihr die Tür auf und lächelte sie an. Sie lächelte zurück und zog den Schal enger um ihre Schultern. Mit leiser und noch leicht zittriger Stimme sagte sie: "Es ist so schön warm hier."


von Jason Dark, erschienen am 13.04.2010, Titelbild: Jozelon
Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
Bill und Sheila machen Urlaub im bayrischen Wald. Auf der Rückfahrt nach Frankfurt, von wo sie zurück nach London fliegen wollen, geraten sie in einen Stau und machen unterwegs in einer Kleinstadt Rast. Dort begegnet ihnen, zur Überraschung aller, Harry Stahl, der das Verschwinden seiner Kollegin Greta Müller untersucht. Greta ist aber nicht die einzige Frau, die vermisst wird. Insgesamt sind drei junge Frauen spurlose verschwunden. Harry verdächtigt den tschechischen Bildhauer Pavel Hawelka. Tatsächlich hat dieser Dreck am Stecken, denn er hat einen weiblichen Golem erschaffen, mit dessen Hilfe er zu Macht und Reichtum kommen will. Zunächst erweckt dieser Golem aber die drei toten Frauen zu neuem Leben. Als Bill Conolly und Harry Stahl dem Bildhauer einen Besuch abstatten, ahnen sie noch nicht, dass sich Sheila in Lebensgefahr befindet, denn die Zombies haben das Hotel als Angriffspunkt erkoren …


Meinung:
Ein echter Schnellschuss von Jason Dark, der zwar mit einer interessanten Thematik und einem originellen Setting aufwartet, in Punkto Dramaturgie und Spannung aber gänzlich versagt. Die Idee die Conollys gemeinsam mit Harry Stahl und ohne den Serienhelden agieren zu lassen ist hervorragend. Dass Harry seinen Freund in London dann noch einmal anruft ist auch in Ordnung, immerhin kann der Geisterjäger ja wenigstens mal zu Wort kommen, wenn er schon nicht aktiv dabei sein darf. Wieso er aber im Umkehrschluss noch einmal bei Sheila anrufen muss und dann auch noch die Erzählperspektive innerhalb einer Szene von der ersten Person in die dritte wechselt, ist gelinde gesagt unverständlich. Tatsächlich bekommt man beim Lesen unweigerlich das Gefühl, dass der Autor lediglich seine mannigfaltigen Urlaubserinnerungen in dem Heft unterbringen wollte. Angefangen beim opulenten Menü bis hin zum Bärwurz-Schnaps. So richtig Spannung kommt jedenfalls nicht auf, denn der weibliche Golem tritt gar nicht aktiv in Aktion. Die Motive des Bildhauers, der gleich zu Beginn als Täter feststeht, sind einfach hanebüchen. Woher er die Fähigkeit besitzt den weiblichen Golem mit Magie zu füllen bleibt ebenfalls unklar. Ein klein wenig dramatisch wird es am Ende, als sich Sheila und Bill gegen die Zombies zur Wehr setzen müssen, und dass ohne Waffe. Eine angenehme Abwechslung zum üblichen Kreuz/Dämonenpeitsche/Silberkugel-Finale. Bedauerlicherweise bangt man keine Sekunde lang um das Leben von Johns ältesten Freunden, so dass auch dieser gutgemeinte Einfall nicht den gewünschten Effekt hat. Und trotz der traumatischen Erfahrung einen weiblichen Zombie mit der Schneeschaufel enthaupten zu müssen wird die Welt am Ende mit einem doppelten Obstler wieder in Ordnung gebracht.
Fazit: Nette Gruselgeschichte mit einem originellen Plot, die schließlich in Belanglosigkeiten untergeht.


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:

Dämonisch, surreal und abwechslungsreich. Ein kunstvolles Titelbild, dem der Inhalt leider nicht gerecht wird. Ein wenig deplaziert wirkt indes das Muster auf dem Ellbogen der Gestalt.


Coverbewertung:
3 Kreuze

Rezension von Ulrich Surendorf/Chapman:


Kurzbeschreibung:
Der tschechische Bildhauer Pavel Hawelka hat sich im Bayerischen Wald niedergelassen und dort die Marmorstatue einer wunderschönen Frau geschaffen, die er - seinem Vorbild, dem sagenhaften Rabbi Löw, folgend - als Golem zum Leben erwecken will. Dazu hat Hawelka einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und muss dem Höllenherrscher für seinen Wunsch drei Seelen besorgen. So hat der Bildhauer drei Frauen getötet und in seinem Keller versteckt.
Das letzte Opfer, Greta Müller, war eine Kollegin von Harry Stahl und so kommt es, dass der Sonderermittler sich auf die Spur der Vermissten gesetzt hat. Bei seinen Ermittlungen ist er auch schon auf den Tschechen Pavel Hawelka gestoßen, konnte ihm bisher allerdings nichts nachweisen. Das ändert sich, als Harry Hilfe von unerwarteter Seite bekommt: Bill und Sheila Conolly sind nach einem Urlaub in Österreich auf dem Heimweg nach England und zufällig in dem kleinen Ort gelandet, in dem Harry ermittelt, weil sie einen Stau auf der Autobahn umgehen wollten.
Als Harry und Bill Pavel Hawelka aufsuchen, entdecken sie drei weibliche Zombies, die Opfer des Bildhauers, die durch die Kraft des Teufels zu untotem Leben erweckt wurden. Auch in der Statue des weiblichen Golems ist Leben erwacht, das sich allerdings nur auf die Augen beschränkt, in denen sich eine schwarze Masse gebildet hat.
Einen der Zombies kann Harry mit zwei Kopfschüssen töten, die beiden anderen nähern sich jedoch dem Hotel, in dem Sheila Conolly zurückgeblieben ist. Sheila stellt sich den beiden untoten Frauen und kann eine mit einem Schneeschieber köpfen. Die zweite kann Sheila überwältigen, wird dann aber ebenfalls mit dem Schneeschieber von Bill geköpft, der sich Sorgen um seine Frau gemacht hat.
Unterdessen hat Harry Pavel Hawelka in Notwehr erschossen und die schwarze Kraft in der Golem-Statue vernichtet, in dem er Silberkugeln in die Augen geschossen hat.


Meinung:
Der Golem gehört mit zu den klassischen Gruselfiguren und hat auch seit langem mit regelmäßigen Auftritten seinen Platz in der Sinclair-Serie gefunden. In diesem Fall ist es nun ein weiblicher Golem und keine Lehm, sondern eine Marmorfigur, die zu unheiligem Leben erwacht. Und an dieser Stelle möchte ich gleich Florians Rezi in einem Punkt widersprechen, denn es wird eindeutig gesagt, dass Pavel einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat und dieser als Gegenleistung für die Seelen der drei Frauen das Leben in die Marmorfigur fließen lässt. Enttäuschend ist nur - und da hat der Leser das gleiche Gefühl wie der tschechische Bildhauer - dass sich dieses Leben nur in den Augen manifestiert und die Statue ansonsten gar nicht in das Geschehen eingreift. Insofern bleibt die Geschichte eigentlich nur ein typischer Zombieroman, in dem die untoten dann auch recht schnell vernichtet werden.
Dass die Conollys durch einen so großen Zufall auf Harry Stahl treffen, finde ich ganz witzig, denn ein ähnliches Erlebnis hatte ich selbst einmal, als ich während eines Italienurlaubes auf eine Klassenkameradin getroffen bin - nur weil ich eine geplante Tour abgebrochen habe und einen anderen Weg gefahren bin. :o)
Nicht so gut gefallen hat mir, dass durch die zwei Telefonate unbedingt John Sinclair in die Geschichte eingebunden werden musste. Insbesondere der zweite Anruf ist völlig unnötig und wirkt durch den Wechsel der Erzählperspektive irgendwie seltsam. Schlecht formuliert war auch der Satz von Harry Stahl: "Ich will nicht nur das Verschwinden der drei Frauen aufklären, sondern auch das Schicksal von Greta Müller." Das hört sich so an, als gebe es insgesamt vier Frauen, aber Greta ist ja eine der drei Verschwundenen.


Besonderheiten:
Roman (fast) ohne John Sinclair
Auf der Leserseite weist Jason Dark daraufhin, dass weder Baphomets Bibel noch AEBA in Vergessenheit geraten sind, und dass bald wieder ein Psychonauten-Roman (Band 1670 ‚Der Psychonauten-Gott') erscheinen wird.


2 von 5 möglichen Kreuzen:
2 Kreuze


Kommentare zum Cover:
Die Statue ist zu verschwommen gezeichnet, als das mir das Cover gefallen könnte…


Coverbewertung:
1 Kreuz