John Sinclair Nr. 1540: Das Drachenriff
"Die Leiche sieht nicht gut aus, Mrs Prentiss." Die Angesprochene zeigte
ein knappes Lächeln. "Klar, Chiefinspektor, das haben Tote nun mal so
an sich." Tanner nickte und rückte seinen grauen Filz zurecht. "Aber
der Tote bietet einen besonders schlimmen Anblick. Er liegt vor einem
großen Spiegel, als wollte er sich dabei beobachten, wie ihn der Tod
ereilt. Das ist mein Eindruck." "Verstehe." Die rothaarige Frau, die einen
graugrünen Hosenanzug trug, sprach weiter. "Und dieser Mensch ist Franco
Sylvester, ein Emporkömmling, der sogar den Bürgermeister ablösen
wollte." "Haben Sie gut gesagt. Jetzt wird er es nicht mehr schaffen. Man
kann ihn trotzdem als B-Promi ansehen, sonst wären Sie ja nicht hier.
Vor dem Haus lauert die Meute der Zeitungshaie. Von den lokalen TV-Typen
gar nicht zu sprechen..."
von Jason Dark, erschienen am 15.01.2008, Titelbild: Bondar
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Als der B-Promi Franco Sylvester tot in seiner Wohnung gefunden wird, informiert
Chiefinspector Tanner die Staatsanwältin Purdy Prentiss. Seltsam an
diesem Mordfall ist, dass das Opfer vor einem Spiegel liegt, der selbst keinerlei
Blutspritzer aufweist. Zudem scheint Sylvester von einem Schwert oder einer
Machete regelrecht dahingeschlachtet worden zu sein. Als Purdy den Tatort
begutachtet wird sie von dem Spiegel angezogen und in eine andere Welt
transportiert. Dort trifft sie auf einem kleinen Eiland auf einen
schwertschwingenden wilden Krieger, der plötzlich vor ihren Augen
verschwindet. Derweil hat Tanner den Geisterjäger John Sinclair zu Hilfe
geholt, der sich plötzlich dem Schwertträger gegenüber sieht.
Mit einer Silberkugel kann John den Krieger schwer verwunden, der durch den
Spiegel wieder zurück in seine Zeit kehrt. Nur John ist der Durchgang
verwehrt. Währenddessen hat Purdy Prentiss in der Vergangenheit den
sterbenden Krieger wiedergesehen und bemerkt, dass er von einer Silberkugel
getötet wurde. Von neuer Hoffnung durchströmt, durchsucht sie den
nahegelegenen Turm. Dort findet sie zwei gefesselte Norweger, die ebenfalls
aus der Zukunft stammen und einem Drachen als Opfer dienen sollen. Purdy
befreit das Pärchen, doch bevor die drei das Tor in ihre Zeit wiederfinden
können, erscheint die Drachenschlange - und sie hat einen mörderischen
Appetit auf Menschenfleisch ...
Meinung:
Mit diesem Roman schuf Jason Dark einen fesselnden und temporeichen
Sinclair-Roman wie man ihn lange nicht in Händen halten durfte. Die
Story ist originell und abwechslungsreich wie selten. Abgesehen vom Auftreten
der beiden Nebencharaktere Chiefinspector Tanner und Purdy Prentiss, muss
John auch sein Kreuz abgeben, um seiner Freundin überhaupt folgen zu
können. Die Emotionen die den Geisterjäger dabei beschäftigen,
als er seine mächtigste Waffe freiwillig aus der Hand geben muss, wurden
von dem Autor nachvollziehbar und eindringlich beschrieben. Hier erlebt man
den brummigen Tanner von einer sehr mitfühlenden und menschlichen Seite.
Die Gedankengänge von John Sinclair und die Dialoge mit Tanner sind
auch nicht langgezogen und überflüssig wie in manch anderem Roman
der Serie und bringen die Handlung durchaus voran. Als Gegner erwartet den
Oberinspektor von Scotland Yard auch kein Vampir oder Zombie, sondern endlich
mal wieder ein richtiger Drache, ein urwelthaftes Monster, wie es lange nicht
mehr auf Beutefang gehen durfte. Wer nun mutmaßen möchte, dass
jenes Tier aus Aibon oder Atlantis stammt, soll sich überraschen lassen.
Das Dilemma von Purdy Prentiss und ihren beiden Leidensgenossen ist Dark
ebenfalls bestens gelungen und die Jagd der Bestie nach ihren Opfern birgt
eine lang vermisste Dramaturgie. Genauso verhält es sich mit dem Finale,
dass sich wohltuend von dem sonst üblichen Kreuz-raus-Gegner-tot-Schema
abhebt. Zwei kleine Ungereimtheiten fallen beim genauen Lesen dann aber doch
ins Auge. So treffen John und Suko auf die Riesenechse, als diese im Turm
steckt, um Purdy und ihre Begleiter zu fressen. Anstatt sie (die Riesenechse,
nicht Purdy) aber gleich mit der Dämonenpeitsche zu attackieren, gehen
die beiden Geisterjäger erst mal in Deckung. Der zweite Fehler betrifft
den zeitlichen Ablauf. Purdy sieht im Turm, wie Suko in Schussposition geht
und zielt, dann wird sie abgelenkt und hat Zeit sich ausgiebig zu unterhalten.
Zwei Seiten lang dauert dieser Dialog bis endlich Sukos Schuss fällt.
Dies sind freilich Kleinigkeiten, die den Lesespaß beileibe nicht
trüben. Ärgerlicher ist da schon der stilistische Fauxpas der
Wortwiederholung. Wie oft das Wort "verdammt" in diesem Roman vorkam wagte
ich gar nicht zu zählen, um mir nicht die gute Laune verderben zu
lassen.
Fazit: Ein sehr guter, unterhaltsamer und spannender Sinclair-Roman, der
die eingefahrenen Pfade verlässt und innovativ wie selten daherkommt.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Passt hervorragend zum Inhalt, auch wenn es im Detail abweicht. Zeichnerisch
ein echter Hochgenuss und hoffentlich nicht das letzte Werk des Künstlers,
welches wir auf einem Sinclair-Roman bewundern dürfen.
Coverbewertung:
Rezension
von Ulrich
Surendorf/Chapman:
Kurzbeschreibung:
Der Bürgermeisterkandidat Franco Sylvester wird erstochen in seiner
Wohnung aufgefunden, und aufgrund dessen Prominenz ermittelt nicht nur
Chiefinspektor Tanner, sondern auch die Staatsanwältin Purdy Prentiss.
Als die sich das Mordzimmer noch einmal alleine ansieht, erregt der große
Spiegel, vor dem der Tote liegt ihre Aufmerksamkeit und scheint sie magisch
anzuziehen. Ehe sie sich wehren kann, wird sie plötzlich in den Spiegel
gezogen und landet auf einer kleinen Insel, auf der sich ein riesiges Holzkreuz
und ein Leuchtturm befinden. Aus dem Turm stürmt ein Krieger mit einem
Schwert - offenbar der Mann, der auch Sylvester getötet hat. Purdy kann
ihm ausweichen und der Krieger verschwindet mit einemmal. In London hat Tanner
inzwischen John Sinclair wegen des mysteriösen Verschwindens von Purdy
alarmiert. Die beiden sehen sich den Tatort an, als der Krieger aus dem Spiegel
erscheint. John feuert eine Silberkugel auf ihn ab und er flüchtet schwer
verletzt in den Spiegel zurück und stirbt auf der Insel vor Purdys Augen.
Die will versuchen, nach London zurückzukehren, wird aber durch Hilferufe
davon abgehalten und trifft im Turm auf ein junges norwegisches Paar, das
ebenfalls durch einen Spiegel, den es bei einem Trödler in Bergen geschenkt
bekommen hatte, auf die Insel gelangt ist und von dem Krieger als Opfer für
einen Seeungeheuer, eine Mischung aus Schlange und Drache - vorgesehen war.
Dieses Ungeheuer taucht nun auch aus den Fluten des Meeres auf und greift
die drei Menschen im Turm an. In London hat sich inzwischen herausgestellt,
dass John die Passage durch den Spiegel wegen seines Kreuzes nicht antreten
kann. Widerwillig legt er den silbernen Talisman ab und wagt mit Suko den
Schritt durch den Spiegel. Auf der Insel - die sich in der Vergangenheit
Norwegens befindet - stellen sich die Geisterjäger dem Seeungeheuer.
Im Turm taucht plötzlich der Trödler auf, bei dem Gudrun und Tore
den Spiegel erhalten haben. Er erklärt, dass er Kontakt zu dem Drachen
aufgenommen hat und ihm durch die Spiegel, die einst einem Schamanen gehört
haben, neue Opfer zukommen lies. Er will Purdy mit einer Pistole töten,
doch als er miterleben muss, wie John und Suko den Drachen mit Silberkugeln,
die in die Augen und den Rachen geschossen wurden, vernichten, richtet er
sich schließlich selbst. Die fünf Menschen finden daraufhin den
unsichtbaren Zugang zur Gegenwart und kehren nach London und Bergen
zurück.
Meinung:
An der relativ langen Inhaltsangabe kann man schon merken, dass dieser Roman
zu den guten der Serie gehört. Beim Titel habe ich zuerst an Aibon gedacht,
und beim Auftauchen von Purdy an Atlantis. Diese Vermutung hatte ja auch
die Staatsanwältin, doch wir wurden beide getäuscht, denn die
Seeschlange war ein Sagengeschöpf aus der norwegischen Mythologie. Der
Roman selbst besticht diese Woche durch Handlung und das Fehlen der sonst
üblichen in die Länge gezogenen Dialoge. Dass der Trödler
Jan Harding nicht ganz koscher ist, wurde leider schon durch das Telefonat
mit John Sinclair klar. Allerdings hätte ich mir in dem Fall noch
gewünscht, mehr über seine Motive zu erfahren, denn was Harding
davon hatte, der Seeschlange Opfer zuzuführen, wurde nicht deutlich.
Außerdem stellte sich mir die Frage, woher der Zeittunnel wohl weiß,
welche Personen er in London und welche er in Bergen abliefern muss... ;o)
Das Pärchen Gudrun und Tore wurde sympathisch dargestellt und Purdy
konnte mal wieder zeigen, dass sie auch alleine in extremen Situationen einen
klaren Kopf behält. Der größte Pluspunkt ist, dass John dieses
Mal sein Kreuz in London zurücklassen und somit ohne seine
größte Waffe auskommen muss. Dabei fällt ihm sogar ein, dass
ihm das Kreuz schon mal gestohlen wurde. Da dieser Roman wirklich spannend
war und mich so gut unterhalten hat, wie schon lange keiner mehr, gebe ich
gerne 4 Kreuze.
Besonderheit:
John Sinclair muss ohne sein Kreuz zurecht kommen.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Cover ist genauso ansprechend wie der Roman, auch wenn Tore und Gudrun
im Roman geringfügig anders beschrieben werden. Allerdings finde ich,
dass die Drachenschlange schon fast sympathisch wirkt... ;o)
Coverbewertung: