John Sinclair Nr. 1499: Rattenwelt
Im achtzehnten Berufsjahr als Polizist erlebte Edwin Proctor das kalte Grauen.
Ein ruhiges Revier, ein ruhiger Tag und ein gutes Frühstück, das
ihm Kathleen, seine Frau, zubereitet hatte, so wünschte er es sich.
Wie immer hatte sie zu viel eingepackt. Zwei Eier und zu viel Schinken mit
einem dicken Fettrand. Das war nicht eben das, was der Gesundheit gut tat.
Das konnte er gar nicht allein verputzen. Proctor war kein Unmensch. Er
gönnte jedem etwas, auch wenn es ein Gefangener war wie der alte Miller.
Er war in der Nacht voll bis zum Doppelkinn gewesen, hatte noch eine
Stalltür eingetreten und war dann sicherheitshalber in die Zelle zur
Ausnüchterung gebracht worden. Hier war er schon Dauergast. Das nahm
ihm niemand übel, denn nach dem Verlust seiner Frau war er völlig
aus dem Tritt geraten. Da lief er praktisch neben seinem eigentlichen Leben
her...
von Jason Dark, erschienen am 03.04.2007, Titelbild: E.J. Spoerr
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Nach der Vernichtung des Sensenmannes (siehe
JS 1498) bleiben John Sinclair und
Jane Collins noch eine Nacht im Internat, um sich am nächsten Tag auf
den Weg zurück nach London zu machen. Unterwegs treffen sie auf eine
ganze Meute von Ratten, die den Golfe der Detektivin umzingeln. Zwar können
die beiden Freunde dem Pulk entkommen, doch als eine der Ratten John anspringt
und dabei das Kreuz berührt verglüht sie. Damit steht für
den Geisterjäger fest, dass das Schicksal ihn wieder auf einen neuen
Fall gestoßen hat. Als sie in den Ort Woodside eintreffen, müssen
sie feststellen, dass es bereits zwei Opfer gegeben hat. Doch die Ratten
sind nicht das eigentliche Problem, denn sie handeln nicht aus eigenem Antrieb:
Hinter ihnen steht ein Dämon, der sich selbst als Rattenkönig
bezeichnet ...
Meinung:
Ratten gehören seid jeher zum Genre Horror, wie Drachen zur Fantasy.
Oftmals als reine Staffage und manchmal auch als Urheber des Grauens. In
der Welt des John Sinclair sind Ratten die wohl am häufigsten bemühten
Tiere, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Allenfalls Wölfe und
Fledermäuse können da noch mithalten. Erstere häufig als
Werwölfe oder als bloße Beigabe, letztere meistens als Vampire.
Im Laufe seiner Dienstjahre hatte es John Sinclair bereits mit einem
Rattenkönig, einem Rattenkeller, einem Rattentempel, einem Rattenmenschen,
einer Rattenhexe, mit Rattenliebe und sogar mit einem Rattenloch zu tun.
In diesem Roman kommt es zu einer Reise in eine Rattenwelt. Doch der Titel
trügt, denn der Begriff ist wohl eher sinnbildlich gemeint. John Sinclair
wird keineswegs in eine andere Dimension verschlagen und muss in einer
völlig normalen, wenn auch sehr unheimlichen Umgebung gegen die
schwarzmagischen Nager kämpfen. Ein verschneites, kleines Dorf mitten
in England wird zum Schauplatz des grausamen Geschehens. Der Beginn des Heftes
ist wirklich schaurig beschreiben worden und auch die Dialoge wären
gut zu lesen gewesen, wenn das ständige "verdammt" nicht mehr als 27
Mal verwendet worden wäre. Der Plot der Geschichte ist nicht gerade
neu, aber die Umstände machen den Roman dennoch zu einem der besseren
Abenteuer des Geisterjägers der letzten Zeit. Schließlich hat
er schon seit Längerem nicht mehr mit Ratten zu tun gehabt, und auch
wenn bisher oftmals Frauen hinter den Tieren standen, so ist eine Kreatur
der Finsternis als Rattenkönig dennoch ein Novum. Nur der Begriff King
störte den Lesefluss ein wenig. Auch der Hintergrund des Urdämons
hätte ein wenig eingehender beleuchtet werden können. Alles in
allem ein guter Sinclair-Roman und ein würdiger Abschluss für die
1400er-Reihe.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Wieder ein saumässiges Cover von Spoerr. Aber bitte keinen Schreck bekommen:
Der Rattenkönig wird im Roman genau so scheußlich beschrieben.
Da kann man schon fast froh sein, dass der Dämon erst auf Seite 54 in
Erscheinung tritt.
Coverbewertung:
Rezension von
neo09:
Kurzbeschreibung:
In Woodside geschehen seltsame Dinge: Ein inhaftierter Trunkenbold wird innerhalb
kürzester Zeit in seiner Zelle von Ratten angefallen, getötet und
bis auf das Skelett abgenagt. John Sinclair und Jane Collins, die sich auf
der Rückfahrt von ihrem letzten Fall befinden, machen Station in Woodside
und finden schon bald in einer Tankstelle eine weitere Leiche. Im Zuge ihrer
Ermittlungen trifft das Sinclair-Team auf Clara Seymour, die ein Faible für
Tiere und insbesondere für Nagetiere pflegt. Tatsächlich ging Seymour
mit einer Kreatur der Finsternis, dem so genannten Ratten-King, eine Liaison
ein. Ihr gemeinsames Ziel, zunächst Woodside mithilfe der Ratten zu
entvölkern und so eine größere Machtposition aufzubauen,
scheitert am beherzten Eingreifen John Sinclairs.
Meinung:
So so, der geneigte Leser macht die Bekanntschaft mit dem "Ratten-King".
Optisch schön fies beschrieben, spielt diese Kreatur der Finsternis
tatsächlich doch eher eine untergeordnete Rolle. Es ist schade, dass
der King nur auf den letzten Seiten des Romans seine Erwähnung findet.
Abgesehen davon, dass JD in der Namensgebung der Dämonen sicherlich
schon kreativer war, fehlt es diesem Roman insgesamt an der Dramaturgie und
Spannung. JD zäumt das Pferd von der falschen Seite auf, soll heißen,
dass er dem Rattenking nur die Rolle eines Komparsen zugesteht. Die Hauptrolle
spielen die dämonisch beeinflussten Ratten und .... Trommelwirbel ....
das Wetter! Okay, okay, für Smalltalk-Themen ist das Wetter ein sehr
geeignetes Thema, aber schon beim ersten Date ist es eher ungünstig,
sich bereits nach ein paar Minuten über das Wetter unterhalten zu
müssen. Was JD aber als freiberuflicher Metereologe über 64 Seiten
an Wetterbeschreibungen, -vorausschauen und Flockenkonsistenzerläuterungen
loslässt, ist zwar bemerkenswert, aber es bremst den Fortgang der
eigentlichen Geschichte kolossal. Nicht dass die Geschichte schlecht wäre,
das ist sie nicht, nur wird hier eine im Grunde gute Story durch zu viele
Nebensächlichkeiten und minutiöse Beschreibungen stark
verwässert. Auch inhaltlich gibt es einige Patzer: So zum Beispiel das
in höchster Not erfolgte Handygespräch Procters mit David Dern.
Da sitzt Procter in absoluter Lebensgefahr im Auto fest und wartet nur darauf,
dass sich die Ratten bis zu ihm durchbeißen, Procter aber führt
zeitgleich ein soooo langgezogenes Gespräch mit Dern, dass die Ratten
dabei eigentlich vor Langeweile einschlafen müssten. Eines aber schafft
JD trotz alledem: eine gemütliche Lesestunde (mit dem 25fachen Gebrauch
des Wörtchens "verdammt"). Eindeutig positiv anzumerken sind übrigens
einige Dialoge zwischen John und Jane, an denen sich auf jeden Fall die
Schreibfreude des Autors wiederspiegelt.
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Tja, Rattenkönig und Clara Seymour kommen wie abgebildet im Roman vor.
Wirklich stimmig ist das Cover aber nicht.
Coverbewertung:
Rezension
von Dämonengeist:
Kurzbeschreibung:
Als John Sinclair und Jane Collins, die nach dem letzten Fall (s.
JS 1498) in dem Internat
übernachtet haben, nach Hause fahren wollen, muss der Geisterjäger
feststellen, dass die Reifen seines Rovers platt sind, da er auf Glasscherben
geparkt hat. Notgedrungen nimmt ihn Jane in ihrem Golf mit zurück nach
London. Auf dem Weg dorthin entdecken die beiden am Staßenrand immer
wieder einige Ratten auf, bis schließlich eine kleine Armee vor ihnen
auftaucht. Nachdem sie sie durchfahren und abgehängt haben, will sich
John noch einmal umschauen, wird dabei aber von einem Nager angegriffen.
Überraschenderweise lässt sich das Tier mit dem Kreuz vernichten.
Kurze Zeit später erreichen sie den Ort Woodside und entdecken in der
örtliche Tankstelle einen von Ratten getöteten Mann. Von dem
ortsansässigen Konstabler Edwin Proctor erfahren sie, dass auch ein
Trunkenbold den Nagern zum Opfer gefallen ist. Als John einem Gefühl
nach den Friedhof absucht, stößt er auf zwei weitere Ratten, die
er mit seinem Kreuz erledigt. Daraufhin fahren John, Jane und Proctor zu
dem abgelegenen Haus der Clara Seymour, die im Ort als Tierfreundin bekannt
ist. Während Proctor im Wagen bleibt und schon bald von einigen Ratten
angegriffen wird, befragen John und die Detektivin im Haus Clara Seymour,
die sehr geheimnisvoll tut und schließlich zugibt, mit den Nagern zu
paktieren. Als John sie mit seinem Kreuz testen will, flieht sie jedoch.
Auf dem Dach kann John sie stellen, doch nachdem sie zugegeben hat, einem
Rattenking zu dienen, stürzen beide gemeinsam vom Haus. Doch ihnen passiert
beim Aufprall nichts, aber da der Geisterjäger Clara und die Ratten
mit dem Kreuz in Schach halten kann, lässt er sich zu dem Rattenking
führen. Edwin Proctor, der bereits von diesem Dämon angegriffen
worden war, bleibt in Sicherheit zurück. Zwischen einigen nahe gelegenen
Felsen kommt es schließlich zur direkten Konfrontation mit dem King,
scheinbar eine Kreatur der Finsternis mit kleinem menschlichen Körper
und einem überdimensionierten Mensch-Ratte-Schädel, und seinen
Ratten. Dabei kann John Sinclair die Dämonenbrut mit seinem Silberkreuz
vernichten. Clara Seymour verfällt daraufhin dem Wahnsinn.
Meinung:
Ratten sind es, die die Menschen immer wieder erschrecken, anekeln, verabscheuen.
Ratten sind es auch, mit denen Jason Dark immer wieder eine intensive Angst
der Menschen ansprechen und gleichzeitig sehr gute Romane verfassen kann.
So auch dieses Mal, denn die Rattenangriffe gepaart mit der winterlichen
Atmosphäre werden wunderbar gruselig und spannend wiedergegeben. Wenn
mal wieder eine Horde Ratten auftaucht oder John angreift, erzeugt das wie
von selbst eine bedrohliche Stimmung. Zusätzlich ist der Roman noch
mit ein wenig gut portionierter Action garniert. Nichtsdestotrotz macht Jason
Dark den dramaturgischen Fehler, Edwin Proctor zwar in spannenden Szenen
in Gefahr zu bringen, aber dann doch nicht sterben zu lassen. Das wirkte
auf mich beim Lesen ob der manchmal etwas langgezogenen Proctor-Handlung
in der zweiten Hälfte des Heftes etwas sinnlos. Gefallen hat mir dafür
der Hinweis auf frühere Rattenfälle, wie die Sache mit Rocky Koch
und Karni-Mata, der wieder einmal eine Verbindung zu den Anfängen der
Serie schafft. Ebenso ist die Verknüpfung mit dem vorhergegangenen Heft
einmal erfrischend direkter. Leider ist die Geschichte etwas vorhersehbar,
besonders als das erste Mal Clara Seymour erwähnt wird, ist sofort klar,
dass sie etwas mit der Sache zu tun hat. Hier hätte sich vielleicht
eher ein Zweiteiler empfohlen, bei dem die Sachlage nicht ganz so hastig
klar geworden wäre. Der Rattenking selbst ist eigentlich kein so
interessanter Gegner, denn seine Erscheinung ist schon fast unfreiwillig
komisch. Immerhin kommt er erst ganz am Schluss vor, was die Spannung auf
die Lösung etwas steigert. Insgesamt bin ich deshalb noch bereit, wie
beim letzten Heft drei Kreuze springen zu lassen. Wir werden sehen, wie die
Wertung bei dem großen Jubiläum ausfallen wird. Mehr dazu
demnächst auf diesem Sendeplatz ... oder so ähnlich.
Besonderheiten:
'Ein König der Ratten trieb seine getreuen Nager gegen die Menschen.
Und so aufgeputscht ließen sie bei einem Angriff nur das Skelett
zurück. Jane Collins und ich fanden es an einer Tankstelle.' So
lautet die Vorschau aus dem vorhergehenden Heft. Ganz davon abgesehen, dass
es sprachlich nicht gerade ausgefeilt klingt, finden John und Jane an der
Tankstelle einen vollständigen Menschen und kein Skelett. Selbiges stammt
von dem Trunkenbold Miller, welches allerdings in einer Zelle herumliegt.
Nehmen wir mal freundlich für den Schreiberling, der diese Vorschau
verzapft hat, an, dass er ebenfalls bei seiner Arbeit von Ratten bedroht
wurde. Anders lässt sich dieser Fauxpas schwerlich erklären.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Eine Mutation aus einem Alien, dem bösen Ming aus 'Flash Gordon' und
einer Ratte stellt den potthässlichen Höhepunkt dieses
schaurig-schlechten Covers dar. Mehr msuss man dazu eigentlich auch nicht
sagen, außer dass es diesmal null Kreuze gibt...
Coverbewertung: