CHU Nr. 3: Ego-Shooter 2
CHU Nr. 3: Ego-Shooter 2


Burg Plesse -- 22.03.2004 / 10:00 Uhr
„Da geht es tief hinab, oder?“ Linda Zimmermann schaute in den schwarz-dunklen Schacht des Brunnens. Sie überlegte kurz, ehe sie ihre Lampe einschaltete und kurz darauf den mit Moos und Geflechten bewachsenen Grund sehen konnte. „Ach nein, doch nicht.“ „Glaube mir, da geht es viel tiefer runter, als du dir vorstellen kannst“, gab Chris Schwarz zurück. Er schenkte Carey einen finsteren Blick. Die Dunkelelfe stand etwas im Hintergrund und schaute den Menschen zu. Auch Patrizia Knopfler war mit von der Partie, würde aber keinesfalls mit in den Brunnen und damit in eine andere Welt klettern. Dies stand bereits fest. Nicht nur, dass es für sie zu gefährlich wäre. Sie hatte selbst Angst und war froh, es nicht tun zu müssen. „Also, nehmen wir die Strickleiter und machen wir uns an den Abstieg“, erklärte Chris der CHU-Agentin. „Ich werde zuerst gehen, damit meine Kette den Weg ebnen kann. Du folgst mir.“ „Und Carey?“, wollte Linda wissen. Ihre Wut auf die Dunkelelfe war wieder verraucht. Sie hatte sich klargemacht, dass dieses Wesen über ein bedeutend größeres Wissen, mehr noch aber über eine sehr viel stärkere Magie verfügte als irgendjemand, der auf ihrer Seite stand. Selbst Jaqueline hätte gegen Carey nichts ausrichten können. Ob sie es gewollt hätte, stand auf einem anderen Blatt. „Sie braucht keinen Tunnel, um in diese Welt zu gelangen. Bitte beachte, dass wir eine nasse Landung vor uns haben. Der Ausgang befindet sich über einem Wagra-Feld. Das sind Pflanzen, die auf Wasser wachsen.“ Er reichte Linda ein paar Beutel, die man wasserdicht verschließen konnte. „Außerdem kann es sein, dass unsere Waffen in der anderen Welt nicht richtig funktionieren. Nämlich dann nicht, wenn die Große Göttin eingreift und ... Chancengleichheit herstellt. Die Goblins verfügen auch nicht über Magie.“ Chris wandte sich an Carey. „Was ist mit den Fomore-Anhängern?“ „Keine Gefahr. Sie werden sich nicht in diese Sache einmischen, denn hier betrifft es die Ays. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Anhänger der Fomore ebenfalls kein Interesse daran haben, dass die Sturmdämonen befreit werden. Immerhin hätten sie dann einen Gegner mehr und vor allem würde es ihre Götter in Gefahr bringen, sollten sie diese beschwören können.“ „Gut. Dann werde ich mal in die Tiefen steigen und uns den Weg ebnen“, erwiderte Chris. Er hakte die Strickleiter ein und turnte geschickt an ihr hinab. „Kommst du?“ Linda kniff die Lippen zusammen. Sie mochte weder luftige Höhen noch dunkle Schächte. Dennoch riss sie sich zusammen und machte sich an den Abstieg. Die Sprossen unter ihren Füßen knarrten und knackten, während sie Christoph Schwarz folgte, der tiefer und tiefer glitt. Sie sah den Boden näher kommen. Wenn hier ein Durchgang in eine andere Welt erscheinen soll, dann muss er bald kommen. Sonst wird das nichts mehr. Chris hielt inne. Er stand nun auf der vorletzten Sprosse der Leiter. Mit dem Finger strich er über das Keltenkreuz, welches wie stets um seinen Hals hing. Ein milchiger Schimmer breitete sich um ihn herum aus, der sich jedoch zunehmend grün färbte. Die Atmosphäre in dem schmalen Schacht änderte sich. Es war, als würde eine frische Brise aufziehen und von unten her nach oben wehen. Die Steine verschwanden, eine Blase dehnte sich um Chris und Linda herum aus. „Ist das normal?“, wollte die Ermittlerin wissen. „Wenn du meinst, ob es immer so ist – ja. Das ist der übliche Ablauf. Gleich verschwindet der Brunnen um uns herum und wir stürzen in die Tiefe. Denk dran, diese Welt ist mittelalterlich. Moderne Dinge sucht man vergebens. Sei bereit.“ Kaum hatte der Detektiv seine Erklärung beendet, als die Veränderung auch schon begann. Die Leiter, an der sich Linda festklammerte, wurde weich. Die Wand des Schachtes verschwand, Helligkeit umgab sie plötzlich. Dann stürzten sie.


eBook von G. Arentzen, erschienen im Februar 2007, Titelbild: Meike Förster